Nach Absage des Treffens
idea-Kommentar: «Jetzt braucht es ein Zeichen!»
Was für eine Zeichen braucht es nach der unfreiwilligen Absage des «Marsch fürs Läbe»-Treffs, der als In-House-Veranstaltung auf privatem Grund geplant gewesen war? Ein Kommentar von idea-Chefredaktor Rolf Höneisen.
Neben dem Flyer des Pizzakuriers und anderer Werbung findet sich in Winterthurer Briefkästen derzeit ein ungewöhnliches Schreiben: «(...) in Ihrer direkten Nachbarschaft an der XY-strasse finden sich fundamentalistische Christ*innen, rechte Ideolog*innen, homophobe Hetzer*innen und Antifeminist*innen zu sogenannten Gebetstreffen ein.» Diese würden sich um den «Marsch fürs Läbe» drehen.
«Fundis sind nicht erwünscht»
Verständlich, dass manch einer der Flugblatt-Empfänger erschrickt. Einige haben sich bei der idea-Redaktion gemeldet. Sie fragen sich, ob dies gar der Beginn einer Christenverfolgung sei. Im Text wird Christen Unsägliches unterstellt: «Sie wünschen sich ein (...) Leben, in dem Frauen zu Gebärmaschinen für Staat, Nation, Kirche und Kapital degradiert werden und über kein Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper verfügen.» Offen wird gedroht: «Die Fundis können zwar versuchen, ihre Veranstaltung (...) unter sich abzuhalten, aber das wird uns nicht daran hindern, (...) ihnen deutlich zu zeigen, dass sie auch hier nicht erwünscht sind.»Und was ist passiert? Das Konferenzzentrum steht nicht mehr zur Verfügung. Das auf den 19. September geplante «Marsch fürs Läbe»-Treffen wird im letzten Moment auf die Strasse gesetzt. Also dorthin, wo es erst recht nicht stattfinden darf.
Wo bleibt das Zeichen für die Meinungsfreiheit?
Jeder, dem die Meinungs- und Versammlungsfreiheit etwas wert ist, müsste jetzt auf die Barrikaden! Der Experte für Demokratiefragen, Andreas Glaser von der Uni Zürich, stellt klar: «Die Versammlungsfreiheit darf nicht von gewalttätigen Gegendemonstranten ausgehebelt werden. Das hat das Bundesgericht so festgehalten.» Würde beispielsweise die Stadt Zürich regelmässig Versammlungen verbieten mit dem Verweis auf radikale Gegendemos, hätten gewaltbereite Kreise quasi ein Vetorecht. Professor Glarner wird deutlich: «Die Stadt Zürich ist verpflichtet, den gewaltbereiten Gegendemonstranten Einhalt zu gebieten.» Das gilt für Winterthur und alle anderen Orte genauso.
Es braucht jetzt ein Signal, dass die Staatsmacht willens ist, die verfassungsrechtliche Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu schützen. Die Stadt Winterthur könnte, ja sollte, ein Zeichen gegen solche Gewaltandrohungen setzen. Zum Beispiel, indem sie dem «Marsch fürs Läbe» einen sicheren Versammlungsort zur Verfügung stellt.Hier kommen Sie zur Webseite von Marsch fürs Läbe.
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Autor: Rolf Höneisen
Quelle: idea Schweiz
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