10 Jahre ISTL
Die jungen Wilden der Theologie
Vor 10 Jahren entstand mit dem ISTL eine weitere theologische Ausbildungsstätte in der Schweiz. Ihre Stärken liegen vor allem im missionarischen Tatendrang und jugendlichen Elan. Mittlerweile wurden in mehreren Ländern Ableger gegründet.
Nach 10-jährigem Bestehen würden die meisten Schulen oder Organisationen von sich behaupten, dass sie die Pionierphase langsam verlassen haben. Nicht so das International Seminary of Theology and Leadership (ISTL). Ganz im Gegenteil. «Wir wollen gar nicht 'etabliert' sein. Das wäre der erste Schritt in Richtung Niedergang!», betont Schulleiter Stefan von Rüti mit Nachdruck. «Das Gleiche gilt für eine Kirche. Wenn man es sich zu bequem macht, verliert man an Dynamik und Relevanz.» Der 44-Jährige will verhindern, dass man sich auf dem Erreichten ausruht.
Kürzlich feierte die Schule ihr Jubiläum mit 500 Freunden, Absolventen und Partnern im Campus Sursee (Livenet berichtete). Das Motto hätte passender nicht sein können: «10 Jahre Innovation sind nicht genug». Pioniergeist, etwas wagen und nur nicht stehen bleiben, das sind Werte, die im ISTL grossgeschrieben werden.
Diese Freude am innovativen Denken und Handeln ist eng verknüpft mit dem Gründer und geistigen Vater des ISTL, Heinz Strupler, der in der Schweiz als der Pionier schlechthin gilt. Strupler gründete nicht nur das ISTL, sondern unter anderem 1991 das Institut für Gemeindebau und Weltmission (IGW) und ein Jahr davor das ICF. Alle diese Werke brachten die freikirchliche Szene der Schweiz ordentlich in Bewegung. «Je länger wir die 'Pionierphase' halten, desto länger wachsen wir», ist Strupler überzeugt. Diese Sichtweise sei besonders im Gemeindebau wichtig, weshalb man den Studenten diese «Gründer-DNA» mitgeben wolle. Strupler: «Wenn eine Leitungsperson nicht eine gewisse Pioniersicht hat, verstaubt das Projekt früher oder später.» Denn eine Gemeinde sei kein Hausbau, der irgendwann abgeschlossen ist. «Wenn eine Gemeinde keine Baustelle mehr ist, dann stimmt etwas nicht. Eine Gemeinde ist nie fertiggebaut.»
Noch eine neue theologische Ausbildungsstätte?
Hingabe und Durchhaltevermögen waren bereits bei der Gründung des ISTL gefragt. Heinz Strupler verstand es stets, «seine Gründungen» nicht an sich als Person zu binden, sondern ein Team aufzubauen und Verantwortung zu teilen und zu delegieren. «Das Erste, was ich tat, war Leute zu suchen, die das gleiche Anliegen teilten. Viele davon mit mehr Kompetenz als ich.» Im Fall des ISTL ist ihm das mit Stefan und Susanne von Rüti, Christoph und Doris Schum und weiteren Mitarbeitern gelungen. Gemeinsam wollte man eine Schule ins Leben rufen, die gleichermassen akademisch und praktisch ausgerichtet ist.
Von Rüti erinnert sich an schlaflose Nächte und Zweifel: «Wir haben mit leeren Händen angefangen. Vieles war 'hemdsärmelig', wir hatten kein Geld und zu wenig Mitarbeiter.» Dazu kamen kritische Stimmen von aussen: «Braucht es überhaupt eine neue theologische Ausbildungsstätte?» Eine Frage, die auch heute noch gestellt wird. Nicht wenige meinen, dass es mittlerweile zu viele derartige Schulen in der Schweiz gibt, teilweise mit rückläufigen Studentenzahlen. Nebst dem IGW ist das ISTL allerdings das einzige duale Schulmodell in der Schweiz, in dem Theorie- und Praxisausbildung parallel laufen.
Der Pionier Heinz Strupler sieht die Sache so: «Jede Ausbildungsstätte hat einen gewissen Schwerpunkt, ein gewisses Flair und spricht andere Leute an.» Zwar räumt er ein, dass es Überschneidungen gibt, doch versichert er: «Zusammen bilden wir mehr Leute aus, als wenn es nur eine Schule gäbe.» Jeder Nachwuchsleiter und -theologe findet heute eine Ausbildungsstätte, die zu ihm passt.Einen missionarischen Lebensstil pflegen
Zwei hervorstechende Merkmale von ISTL sind die gemeinschaftliche Atmosphäre und der missionarische Schwerpunkt. Letzterer äussert sich nicht zuletzt in den wöchentlichen Strasseneinsätzen, an denen sich alle Schüler und Mitarbeiter beteiligen. «Wir wollen diesen Geist des 'Wir wollen die Welt erreichen' vermitteln, auch als Persönlichkeiten», sagt Stefan von Rüti. Auch hier gelte es, am Puls der Zeit zu bleiben. «Das Evangelium ist gleich geblieben, aber die Gesellschaft hat sich verändert. Darum müssen wir immer wieder neue Wege suchen.»Ob man das theologisch nun missional oder missionarisch nenne, spiele keine grosse Rolle. Von Rüti: «Für uns ist das ein Lebensstil. Nutze dein jeweiliges Gabenspektrum, um das Evangelium weiterzugeben.» Der eine bringe eben seine Lehrgabe ein, der andere praktische Hilfeleistung, der Dritte engagiere sich im seelsorgerlichen Bereich. «Heutzutage sind Seelsorger vielleicht sogar die besten Evangelisten, wenn man bedenkt, wie viele zerbrochene Menschen es in unserer Gesellschaft gibt.»
Doch von Rüti stellt auch fest: «Wir haben heute die Tendenz, dass wir zu allen 'Mr. Nice Guy' sein wollen. Dass das Evangelium auch aneckt, blenden wir lieber aus.» Hier will das ISTL seine Studenten herausfordern und fördern. «Als Leiter muss man lernen, sich mal hinauszulehnen und etwas tun, was einen etwas kostet. In der Schweiz kostet es nicht viel, sich zum Evangelium zu stellen.» Heinz Strupler ergänzt: «Viele Studenten haben durch die Einsätze ihre Menschenfurcht verloren. Sie entdecken Mut und nehmen ihn mit in ihre Aufgaben in der Gemeinde.»
Junge Leute vermissen Vorbilder
Dieses Begleiten der Studenten – nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis – liegt dem ganzen Leitungsteam auch in anderen Bereichen am Herzen. «Wir haben ein grosses Bedürfnis gespürt, dass junge Leute sich nach jemandem sehnen, der ihnen hilft, in den Dienst zu kommen; der ihnen vorausgeht und an sie glaubt; der Glaube und Hoffnung in ihnen weckt. Viele junge Leute vermissen Vorbilder», erläutert Stefan von Rüti.
Strupler ergänzt, dass man versuche, das ISTL im Grunde genauso zu führen wie eine Gemeinde. Die Pausen zwischen den Lektionen nennt von Rüti «unsere Primetime». Dort pflege man Gemeinschaft, bete zusammen und es herrsche ein Klima der Ermutigung. Eine «verschworene Truppe» wolle man sein. «Das Wissen ist nur so gut, wie es mit dem eigenen Vorbild übereinstimmt. Man kann das nicht hoch genug gewichten.» Diese Haltung äussert sich auch darin, dass das ISTL eng mit den Gemeinden zusammenarbeitet. Jeder Student arbeitet aktiv in einem lokalen Dienst mit. Es brauche hier einen Paradigmenwechsel. «Der Pastor ist wie der Lehrmeister», erklärt von Rüti. «Er muss die Sicht haben, Verantwortung für den Studenten zu übernehmen und ihn zu fördern.» Dabei will das ISTL nicht nur die «Braven» ausbilden, sondern vor allem auch «die jungen Wilden».
«Unbequeme sind bei uns willkommen!», drückt es Heinz Strupler aus und man merkt ihm an, dass er weiss, wovon er spricht. Die seien es nämlich, die später oft Überdurchschnittliches bewegen würden. Solche Leute zu fördern und zu entwickeln, beinhalte ein gewisses Risiko, doch das geht man beim ISTL gerne ein.«Wo hat man ein Umfeld, in dem man einfach mal etwas ausprobieren darf?», fragt Stefan von Rüti. «Besonders in der Schweizer Kultur macht man oft nur das, was ganzsicher funktioniert.»
Und was wird unternommen, damit das ISTL seinen jugendlichen Drive nicht verliert? Eines der Ziele war es von Anfang an, Neugründungen in anderen Ländern aufzubauen. Teilweise in Regionen, in denen es noch wenige theologische Schulen gab, wie etwa in Albanien. «Wir investieren viel Geld und Know-how im Ausland. Dies ist möglich, weil wir als Schulleitung keinen Lohn von ISTL beziehen, sondern einen persönlichen Unterstützerkreis pflegen. Das ist unsere DNA: senden, verschenken, über den Gartenzaun inausschauen.» Diese internationalen Beziehungen erweisen sich als inspirierend. «Das erweckliche Christentum in Albanien ist erst 20 Jahre alt. Die Leute dort erleben Zustände wie in der Apostelgeschichte. Das fordert uns heraus», sagt von Rüti. Man kann davon ausgehen, dass das ISTL sich weiterhin treu bleibt und sich nicht so bald zum Establishment zählen lassen wird.
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Autor: Christof Bauernfeind
Quelle: Livenet / idea