Buchtipp
Sebastian Rink: «Unglaube – Eine Ermutigung»
Moment: Ein Pastor sollte doch vom Glauben reden, oder? Tut er auch. Doch für Sebastian Rink gehört der Unglaube dazu wie der Schatten zum Licht. Und gerade damit lädt er zu einem tieferen Glauben ein. Ein ermutigendes Buch.
Der eine ist gläubig, die andere ungläubig – da gibt es nur schwarz oder weiss. So verkünden es manche, und so hätten es auch gern viele, denn es würde etliches vereinfachen. Aber wenn man den Glauben nicht vereinfachen, sondern «verehrlichen» möchte, dann sagen wohl viele Christinnen und Christen: «Ich glaube, aber ich zweifle auch.» Und mitten in die Frage, wie gläubig sie dann wohl noch sind, stossen sie wie Sebastian Rink (36) auf die Jahreslosung von 2020, in der ein verzweifelter Vater vor Jesus stand und rief: «Ich glaube; hilf meinem Unglauben!» (siehe Markus, Kapitel 9, Vers 24).
Je länger sich der Pastor und Autor mit diesem scheinbaren Widerspruch befasste, umso weniger bedrohlich wurde er, umso ermutigender wurden die Gedanken, die er schliesslich in seinem Buch zusammenfasste: «Unglaube – Eine Ermutigung».
Wo Licht ist, ist auch Schatten
Das Buch beginnt mit einem hilfreichen Bild – dem vom Schatten. Die meisten werden irgendwann ihre ersten Zeichenversuche gemacht haben und in der Regel schon bei so einfachen Formen wie einer Kugel gescheitert sein. Denn egal, wie schön rund man die Randlinie hinbekommt, meint jeder: «Das ist ein Kreis.» Form und Tiefe gewinnt die Kugel erst mit ihrem Schatten.
Tatsächlich erzeugt jedes Licht, das auf einen Gegenstand fällt, auch Schatten. Doch diese «Schattenseite» muss nicht zwangsläufig negativ, kalt oder ungewiss sein, sie kann sogar Schutz bedeuten. So singt ein Psalmist: «Der Herr behütet dich; der Herr ist dein Schatten zu deiner rechten Hand.» (Psalm 121, Vers 5). Sebastian Rink formuliert deshalb zu Beginn sein Anliegen: «Ich will den Unglauben in meinem Glauben wahrnehmen, ohne dass er zum Eigentlichen wird. Er soll in seiner Eigenschaft als Unglaube den Glauben fördern und ihn nicht zerstören.» Dass diese ungewöhnliche Erwartung zutrifft, belegt er mit seinem Buch.Das Thema Unglaube
Um sich dem Thema des Unglaubens zu nähern, geht Sebastian Rink einen sehr klassischen exegetischen Weg. Elfmal kommt der Begriff «Unglaube» (apistia) im Neuen Testament vor – er betrachtet sie alle. Er geht ihnen auf den Grund, findet Normalität und Begrenztheit genauso wie fehlendes Vertrauen, das längst gewachsen sein könnte. Vor allem aber zeigt er, dass Glaube nicht statisch ist und dass «der Glaubende seinen Glauben nie einfach hinter sich, sondern stets vor sich hat […] So ist der Glaube kein geschlossenes, sondern ein offenes System.» So zitiert er den Theologen Walter Kasper.
In neun Kapiteln geht der Autor auf eine freundliche, konstruktive und sprachlich schöne Art und Weise dem Spannungsfeld zwischen Glaube und Unglaube nach. Dabei bleibt er erfreulicherweise nicht in einem dualistischen Lagerdenken stecken – «wir und die da» –, sodass Lesende schnell entdecken: Die Grenze zum Unglauben verläuft mitten durchs eigene Leben. Hilfreich sind dabei die Fragen «Zum Weiterglauben und Selberdenken», die jedes Kapitel beschliessen.
Kaum zu glauben …
Es scheint paradox, doch Sebastian Rinks schmales Buch über Unglauben ist eines der herausforderndsten Bücher, um den eigenen Glauben zu sehen und zu leben, ihn in einer neuen Tiefe zu erfahren. Und die Umarmung des ungeliebten Unglaubens ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg, denn Glaube – noch einmal Walter Kasper – «darf nicht nur ein Asyl der Geborgenheit sein, sondern er muss auch ein Herd heiliger Unruhe sein».
Wer sich einmal mit den Schattenseiten des eigenen Glaubenslebens auseinandersetzen möchte, findet hier eine gute und ermutigende Basis dafür. Wer ein festes Glaubenssystem hat, in dem der Unglaube keinen Raum einnehmen darf, der sollte sich das Buch besorgen und es für den Fall der Fälle ins Regal stellen: Irgendwann zeigen sich die Untiefen der eigenen Persönlichkeit – und da tut es gut, jemanden wie Sebastian Rink an seiner Seite zu haben, für den diese Abgründe kein Drama sind, und der festhält, dass hinter allem ungläubigen Zögern Gott wartet.
Zum Buch:
Sebastian Rink: Unglaube – Eine Ermutigung.
Zum Thema:
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet