«Das ist ungerecht und traurig»
Assyrer zu Hagia-Sophia-Umwandlung
Ab dem 24. Juli wird die Hagia Sophia als Moschee genutzt. «Das schmerzt», sagt Simon, ein Assyrer, der wegen des Drucks auf christliche Minderheiten einst in die Schweiz eingewandert war. «Die Christen werden in der Türkei und dem einstigen Mesopotamien verfolgt.»
«Es ist eine Schikane»
«Die Hagia Sophia war eine Kirche und nun macht die türkische Regierung eine Moschee daraus. Das ist ungerecht und sehr traurig», sagt Simon (zu seiner Sicherheit wird nur sein Vorname genannt). Simon ist Assyrer. Er verliess einst seine Heimat Tur Abdin, den Südosten der Türkei, wegen des Drucks von Islamisten. Seither lebt er mit seiner Familie in der Schweiz.
«Die Hagia Sophia war ein Symbol und ein Museum, aber die heutige Türkei akzeptiert das nicht. Das ist sehr traurig.» Simon spricht von der Spitze des Eisbergs, der dadurch ersichtlich wird. «Mehrere tausend Kirchen und Klöster wurden zu Moscheen gemacht im Irak und in Syrien. Es ist eine Schikane, das ist weder menschlich noch tolerant.»
Unterdrückung der Christen
Den Freitag, 24. Juli 2020, bezeichnet Simon als Trauertag für das christliche Europa. «Die Christen in der Türkei werden unterdrückt. Das schmerzt und es tut weh zu sehen, was mit der uralten Heimat geschieht. Immer wieder wurden und werden Christen angegriffen. Das macht sehr traurig.»
Protestaktionen seien keine geplant. «Wir protestierten oft für unsere Freiheit und zum Beispiel für das Kloster Mor Gabriel. Es hat aber nichts gebracht, es interessiert niemanden. Wir schrieben Protestbriefe an Politiker in ganz Europa und organisierten Proteste in Bern, in Zürich, in Brüssel, in Deutschland, mit Bischöfen und mit dem Volk.» Es sei eine absolute Ungerechtigkeit.
Die Flucht als einzigen Ausweg
Auch er selbst litt in jungen Jahren unter diesen Repressionen. «Wir hatten eigentlich alles und waren zufrieden», erinnert sich Simon an seine Zeit in der Türkei zurück. Doch die Islamisten hätten sie nie in Ruhe gelassen. «Wir mussten unsere Dörfer und Felder bewachen. So konnte man nicht leben.» 1979 wanderte er aus. Zu gross war die Gefahr für die christliche Minderheit in Mesopotamien geworden (Livenet berichtete bereits 2006 über Simons Geschichte).
Im Laufe der Jahre schrumpfte die christliche Minderheit aufgrund des Drucks. Nach und nach erhielten die christlichen Ortschaften türkische statt assyrische Namen.
«Es gibt keine Toleranz»
«Wir brauchen Hilfe, Europa muss etwas tun. Immer wieder werden assyrische Christen verfolgt und dies in vielen Ländern.» Namentlich in der Türkei, Irak, Syrien, Libanon und im Iran. «Wenn jemand von uns in die Ferien in die Heimat geht, gibt dies immer wieder Probleme. Meine Schwester war vor ein paar Jahren in Tur Abdin. Sie trägt das traditionelle Kreuz-Tattoo an der Hand. Sie wurde deswegen beschimpft.»
Solches geschehe konstant. «Es gibt keine Toleranz.» Europa müsse etwas tun, sonst geschehe dies immer wieder. «Ich schätze dass es noch 2'500 bis 3'000 assyrische Christen in der Türkei gibt. Aber nicht mehr als ganze Familien. Und christliche Dörfer existieren sowieso nicht mehr. Manche Orte sind praktisch leer. Viele sind ausgewandert in die USA, nach Australien und in alle Welt. Wir sind verstreut und vertrieben. Das ist traurig und schmerzhaft.»
Gewalt gegen Christen geht weiter
Auch im laufenden Jahr steht die christliche Minderheit unter massivem Druck. So wurde beispielsweise die 65-jährige Mutter eines Priesters, Simoni Diril, ermordet. Ihr Ehemann Houmouz Diril wird immer noch vermisst. Oder Ordensmann Aho vom Kloster Mor Yakoub wurde verhaftet. Als vorgeschobener Vorwand wurde behauptet, der Abt würde die PKK unterstützen. Im laufenden Monat soll nun eine Gerichtsverhandlung gegen ihn stattfinden.
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet