Christenverfolgung im Fokus
Religionsfreiheit zwischen Hochschule und Politik
Für viele spielt das Thema Religionsfreiheit kaum eine Rolle. Andere entdecken fast überall Anzeichen von Verfolgung und halten vor allem den eigenen Glauben für stark bedroht. Da täte es gut, wenn wissenschaftlich fundierte Zahlen vorliegen würden, die zuständige Politiker zu konkreten Handlungen bewegen könnten. Tatsächlich ist dies in Deutschland jetzt beides möglich.
Grundlage für diese Neuerung ist zum einen der gerade geschaffene Lehrstuhl für Religionsfreiheit und Erforschung der Christenverfolgung an der Freien Theologischen Hochschule (FTH) in Giessen, den Professor Christof Sauer (55) innehat. Und zum anderen das im April neugeschaffene Amt des «Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit». Hier engagiert sich der CDU-Politiker Markus Grübel (58). Ein näherer Blick auf die Aufgaben und Personen dahinter zeigt, dass diese beiden Nachrichten aus Giessen und Berlin deutlich mehr sind als Personalien.Christenverfolgung im Blick
Es ist unstrittig, dass Menschen wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Immer wieder erreichen uns dramatische Berichte und hören wir von verstörenden Einzelschicksalen. Exemplarisch sei an die pakistanische Christin Asia Bibi erinnert, die 2010 in Pakistan wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt wurde. Ihr Verfahren ist auch neun Jahre später immer noch hängig.
Doch die Bewertung und Einordnung solcher Schicksale in einen weltweiten Kontext ist gar nicht so einfach. Nicht jedes berührende Erleben einzelner Menschen ist bereits Christenverfolgung. Auch kann solch eine Verfolgung, wo sie existiert, sehr unterschiedliche Gesichter haben: staatliche, gesellschaftliche oder auch terroristische. Laut Wikipedia sind sich die verschiedenen Menschenrechtsorganisationen weitgehend einig darüber, dass 75 bis 80 Prozent der Menschen, die weltweit wegen ihres Glaubens verfolgt werden, Christen sind. Die konkreten Zahlen schwanken aber erheblich. Und Organisationen wie zum Beispiel «Open Doors» geraten immer wieder in die Kritik, weil die Zahlen und Schätzungen ihres Verfolgungsindex nicht überprüfbar seinen.
Neues Institut für Religionsfreiheit
Genau hier setzt der neu geschaffene Lehrstuhl für Religionsfreiheit und Erforschung der Christenverfolgung an. Christof Sauer ist ein internationaler Experte auf seinem Gebiet. Der württembergische Pfarrer ist Mitbegründer des 2006 entstandenen «Internationalen Instituts für Religionsfreiheit». Er habilitierte sich 2013 mit einer Arbeit über «Martyrium und Mission» an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel und hat weltweit Lehraufträge an verschiedenen Universitäten und Hochschulen zu Fragen der Religionsfreiheit und Christenverfolgung. Sein Schwerpunkt wird die Forschung, das Beschaffen valider Informationen, aber auch das Thematisieren von Verfolgung im akademischen Raum sein. Laut der evangelischen Nachrichtenagentur idea ist ein weiterer wichtiger Ansatz, «noch mehr ins Bewusstsein der Politik und der Bevölkerung zu kommen».
Religionsfreiheit als Ziel
Dass das Bewusstsein darüber gewachsen ist, wird auch an der Berufung von Markus Grübel zum neuen Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit deutlich. Der Politiker und Christ setzt bereits in Deutschland an, das er auf der einen Seite «verglichen mit dem Rest der Welt» als eine «Insel der Glückseligen» bezeichnet. Andererseits unterstreicht er klar, dass auch hier Kippa tragende Juden misshandelt werden oder Muslimas als «Kopftuchmädchen» diffamiert werden. Auf Basis von genauer Beobachtung, validen Zahlen und persönlichen Eindrücken aus Reisen zum Beispiel in den Irak, will der Politiker folgendes erreichen: «Religionsfreiheit ist ein fundamentales Menschenrecht. Manche behandeln es so, als ob es ein Menschenrecht zweiter Klasse wäre, das gegenüber anderen Rechten zurücktreten muss – dem ist aber nicht so», stellt Grübel fest. Dafür zu sensibilisieren, ist ihm ein grosses Anliegen: «Zum einen arbeite ich daran, das Bewusstsein für die Bedeutung dieses Menschenrechts in der Gesellschaft zu stärken… Zum anderen habe ich den konkreten Auftrag, den Bericht der Bundesregierung über die Situation der Religionsfreiheit in der Welt fortzuschreiben.»
Auf dieser Grundlage werden dann auch politische Entscheidungen getroffen. Entscheidungen, die verfolgte Christen weltweit unterstützen können. Genauso wie die verfolgten Anhänger anderer Religionen. Denn bei allem Sendungsbewusstsein für den jeweils eigenen Glauben unterstreicht das bekannte Zitat der Marxistin Rosa Luxemburg das Spannungsfeld, in dem sich Religionsfreiheit für alle und Kampf gegen die Christenverfolgung bewegen: «Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.»
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Evangelisch.de / Giessener Anzeiger