Tagung in Bern
Interreligiöser Dialog im Sog des Pluralismus
Auf einen Nenner lassen sich Religionen nicht bringen, und wer den Anspruch einer bestimmten Religion relativiert, verfehlt ihr Wesen. Wer sich auf sie einlässt, bleibt nicht derselbe. An der Frühjahrstagung des Landeskirchen-Forums (LKF) fragten vier Referenten nach den Voraussetzungen des interreligiösen Dialogs und wie er geführt werden kann.
Wahrheit, Identität und Frieden stehen dabei auf dem Spiel. In der Pluralität haben Christen die Chance und Aufgabe, die Wirklichkeit von Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen zu bezeugen.
Die Blinden und der Elefant
Heinzpeter Hempelmann hinterfragte die gängige Auslegung des Gleichnisses von den Blinden, die den Elefanten betasten und Verschiedenes über ihn aussagen. Das Gleichnis relativiere nicht alle Religionen gleich und gebe dem König doch eine übergeordnete Stellung, merkte der Stuttgarter Theologe an. Das pluralistische Verständnis von Religionen sei intolerant: Es schliesse den Anspruch u.a. des Christentums, auf Offenbarung zu beruhen, ungeprüft aus. Konkrete Religion werde dabei "umfassend und universal abgewertet".
Fiktive Einheit
Wer wie Gandhi Religion als absolute Privatsache verstehe, nehme dem Wahrheitsanspruch den Kern, betonte Hempelmann. "Woher soll ich wissen, dass alle Religionen unvollkommen sind?" Christen leben heute im Kontext religiöser Pluralität - sie bleiben Christen, sofern ihr Glaube sich nicht pluralistisch verflacht und auflöst. Mit Verweis auf G. Vattimo sagte Hempelmann, dass Dialog nur dem möglich ist, der nicht alles unter den eigenen Begriff bringen will und zu einem "schwachen Denken" bereit ist, das "auf alle Einheitsunterstellungen verzichtet".
Dialog und Mission
In jeder Gestalt des Dialogs ist eine Form der Mission enthalten. Shafique Keshavjee, Professor für ökumenische und Religionstheologie an der Universität Genf, verwies in Bern darauf, dass auch Atheisten einer Mission verpflichtet seien: den Gläubigen Mission und Glauben auszureden. Ob die Wahrheit allein in der eigenen, in mehreren oder allen Religionen oder jenseits von ihnen gesehen wird: Immer wird etwas absolut gesetzt, kommt es zu Einschluss und Ausgrenzung.
Im Abwägen der verschiedenen Ansätze plädierte Keshavjee für ein selbstbewusstes Zeugnis vom Wirken Gottes in Christus, der Selbst-Erniedrigung des Erhabenen, mit einem "demütig offenen Ohr für Erfahrungen des Heiligen Geistes im Leben anderer Menschen". Der interreligiöse Dialog erlaube, "Facetten des letzten Geheimnisses bei anderen zu entdecken".
Evangelisation und Freundschaft
Am Nachmittag erzählte Pfr. Jürg Buchegger von einer interreligiösen Gesprächsreihe in Rüti ZH, dem harzigen Beginn, wachsendem Vertrauen und gelungener Auseinandersetzung. Pfr. Martin Breitenfeldt, Direktor von mission 21, verschränkte interreligiöse Begegnung mit Evangelisation; diese sei ein "zutiefst dialogischer Vorgang".
In Gruppengesprächen und dem Schlusspodium der zweisprachigen Tagung wurden die Vorträge diskutiert. Dabei erwähnte Shafique Keshavjee, dass Buddhisten ihn achtsamer gemacht und ihm vermittelt hätten, dass die Realität immer viel reicher ist als die Begriffe, die sie fassen sollen. Hans Küng habe mit dem "Weltethos" zwar den Blick für die gesellschaftliche Bedeutung der Religionen geschärft, doch sie mit seinem Anti-Dogmatismus zugleich verharmlost und Unterschiede eingeebnet. - Das Landeskirchen-Forum ist ein Schweizer Netzwerk engagierter reformierter Christen mit dem Ziel, reformierte Identität zu fördern und Kirche gesellschaftsrelevant zu gestalten.
Link zum Thema:
Hauptreferate der Tagung
Heinzpeter Hempelmann: Wir glauben doch alle an denselben Gott?
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch