Frankreich: Proteste gegen Bibel-Treffen mit 40000 Roma

Damblain. Trotz heftiger Proteste von Politikern und Anrainern findet in der Nähe der ostfranzösischen Stadt Damblain seit Mittwoch ein grosses Bibel-Treffen statt. Hauptanlass der Empörung: Die Gläubigen, die hier fünf Tage lang zusammen beten wollen, sind Angehörige der Volksgruppe der Roma. Und gegen diese Volksgruppe gibt es immer noch zahlreiche Vorurteile.

„Jesus kommt zurück“, tönt es aus Lautsprechern über die langen Reihen von Wohnwagen auf dem riesigen Militärgelände bei der ostfranzösischen Ortschaft Damblain. Ungeachtet heftiger Proteste in der Bevölkerung hat sich das ehemalige NATO-Gelände am Westrand der Vogesen seit einer Woche in eine regelrechte Sinti- und Roma-Stadt verwandelt. Bereits an die 20.000 „gens du voyage“, also „fahrende Leute“, aus mehreren europäischen Ländern haben sich zu dem geplanten Bibel-Treffen eingefunden und noch immer kommen neue Wohnwagen an.

Roma und Sinti aus mehren Ländern

Noch toben in dem grossen Zelt im Zentrum des Lagers spielende Kinder. Doch seit Mittwoch wird das Zelt zur Kirche, dann beginnen die religiösen Zeremonien. Fünf Tage lang wollen sich die Teilnehmer ab dem frühen Morgen unter dem Zeltdach zum gemeinsamen Gebet versammeln. Anschliessend seien Gespräche über „verschiedene biblische Themen“, Liederabende und Bibellesungen geplant, erläuterte der Pastor Joseph Charpentier, Leiter des Treffens. Abschluss und Höhepunkt soll am Sonntag eine grosse Taufzeremonie bilden. Insgesamt erwarten die Veranstalter bis zu 40.000 Teilnehmer, darunter auch Roma und Sinti aus Deutschland, Belgien, den Niederlanden und anderen europäischen Ländern.

Enorme Sicherheitsvorkehrungen

Das Treffen wird von umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Rund 400 Polizisten und Gendarme sind rund um die Uhr im Einsatz. Sie patrouillieren regelmässig um das rund 300 Hektar grosse Gelände und die Gemeinde Damblain. Auf dem Gelände selbst wurden ein Gendarmerieposten, ein Notarztdienst, sanitäre Einrichtungen und eine Müllsammelstelle installiert. Für die Kosten in Höhe von rund 100.000 Euro müssen die Veranstalter aufkommen, denen das Pariser Verteidigungsministerium das Gelände für zwei Wochen zur Verfügung stellt.

Organisiert wird die Mammut-Bibelrunde von der in Mittelfrankreich ansässigen evangelischen Vereinigung „Licht und Leben“, die seit 1975 Mitglied der Föderation evangelischer Kirchen in Frankreich ist. Sie veranstaltet Charpentier zufolge jährlich zwei grosse Treffen dieser Art in Frankreich. In Damblain hatten sich bereits 1994 und 1996 Tausende ihrer Mitglieder versammelt. Obwohl es damals keine nennenswerten Zwischenfälle gab, versuchten rund 60 Lokalpolitiker aus den umliegenden Gemeinden, die Zusammenkunft zu verhindern.

Bei einer Demonstration vor der zuständigen Präfektur in der Vogesenstadt-Epinal forderten sie am 6. August vergeblich ein Verbot des Treffens. Der sozialistische Bürgermeister des rund 350 Einwohner zählenden Dorfes Damblain, Michel Vallon, wirft den Behörden vor, die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen gestellt zu haben. „Nach dem letzten Treffen 1996 war uns zugesagt worden, es werde mindestens zehn Jahre lang keines mehr geben“.

Veranstalter wollen Vorurteile bekämpfen

Bei den Veranstaltern stossen diese Proteste auf Unverständnis. „Wir wollen nur beten und über die Bibel reden“, betont Pastor Charpentier. Das Argument, es gebe keine Infrastruktur für so eine grosse Menschenmenge, sei nur ein Vorwand. „Egal, ob wir mit mehreren tausend Wohnwagen kommen, oder nur mit einem Dutzend – wir werden von der sesshaften Bevölkerung einfach abgelehnt“, klagt der 47-Jährige, der sich seit mehreren Jahren in der Vereinigung „SOS-Gens du Voyage“ für eine Integration der Sinti und Roma in die Gesellschaft einsetzt. Das Klischee vom „Zigeuner, der Hühner klaut“, sei eben tief verwurzelt. Ein Ziel der Bibel-Treffen sei es daher, solche Vorurteile zu bekämpfen. „Wir wollen zeigen, dass sich tausende von Roma zum Beten versammeln können, ohne dass etwas Schlimmes passiert“.

Quellen: Licht und Leben/ORF

Datum: 22.08.2002

Kommentar

Regula Lehmann: Empörung ist billig
Wir befinden uns inmitten der Fastenzeit vor Ostern. Livenet-Kolumnistin Regula Lehmann fastet...

Adressen

CGS ECS ICS