Gelungenes Experiment
Fiktive Interviews mit Menschen im Jenseits
Darf man aus christlicher Sicht fiktive Interviews mit Verstorbenen machen? Der Buchautor, Journalist und Satiriker Willi Näf hat es getan und dafür auch einen christlichen Verlag gefunden. Das hat gute Gründe.
Schon der Titel macht neugierig und wird auch provozieren: «Seit ich tot bin, kann ich damit leben». Das Buch bringt Zusammenfassungen der Lebensgeschichte von so unterschiedlichen Menschen wie Churchill, der Schwiegermutter der Queen, dem Henker von Bonhoeffer und schliesslich sogar mit Maria, der Mutter von Jesus. Er hat akribisch die biografischen Daten seiner Gesprächspartner – ausser von Maria – recherchiert und zusammengefasst.
Geistreiche fiktive Gespräche
Interessante Details daraus flechtet er sodann in die fiktiven Interviews mit diesen Personen ein, die geistreich, selbstironisch und witzig geführt werden. Einmal – im Fall der Grossmutter von Donald Trump – wird das Gespräch auch vorzeitig abgebrochen, da der Interviewer sich nicht an die von ihr diktierten Spielregeln hält. Dafür folgt dann ein Gespräch mit Freddy Crist Trump, dem Bruder von Donald und schwarzem Schaf der Familie. Winston Churchill hingegen hält das Gespräch zwar launig aber dennoch bis zum Ende durch, obwohl der Befrager ihn ständig mit seinen Niederlagen und Schwachheiten konfrontiert.
Die Leserschaft erfährt so nebst Spannung und Spass viele biografische Details über unterschiedlichste Persönlichkeiten. Unter ihnen auch der gekidnappte und mit zwei Jahren umgebrachte erste Sohn des Flugpioniers Charles Lindbergh. Dieser packt einiges über seinen Vater aus! Die Gespräche liefern insgesamt viele bedenkenswerte Analysen und Gedanken dieser Jenseitigen.Der Heilige und sein Henker
Dass unter ihnen auch ein Folterknecht und Henker des Glaubenshelden Dietrich Bonhoeffer zu finden ist, mag irritieren. Näf nutzt das, um vor allem die Rolle von Bonhoeffer und seinen Umgang mit der Ungewissheit zu thematisieren. Dann schildert er die aus dieser Zeit bekannte, beliebte Fluchtroute vieler Nazis via Rom nach Argentinien, die auch der besagte Lutz Baumgartner gewählt haben könnte. Im Interview schildert der Naziknecht, wie er mit seinen Erinnerungen und dem Fakt, dass er dort Bonhoeffer im Jenseits wieder begegnet, fertig werden muss.
Ein Musiker als Brückenbauer
Dass das Buch jetzt im adeo-Verlag erschienen ist, geht auf die Vermittlung des Autors, Pastors und Journalisten Andreas Malessa zurück, welcher die Verlagslektorin Annette Fries von der Idee seines Kollegen überzeugte.
Dass der Verlag christliche Literatur publiziert, hat die Basler Zeitung nicht daran gehindert, eine begeisterte Rezension des Buchs zu bringen. Die «bz Basel» publiziere originellerweise ein Interview von Willi Näf mit sich selbst. Dazu kommen mehrere Talks zum Buch, unter anderem mit Tele Basel. Näf hat die richtige Mischung von Spannung, Witz und Gedankenanstössen aus christlicher Sicht gefunden, um auch ein breites Publikum anzusprechen. Weitere Interviews mit dem Autor sind bereits geplant.
Mit Salz gewürzt
In den Interviews, die oft überraschend verlaufen, schafft es der Autor, immer wieder, biblische und menschliche Weisheiten einzustreuen, die zum Nachdenken anregen. Eine Pointe, fast ein geistlicher Hammer, ist die Schlussaussage im Interview mit der «Gottesmutter» Maria. Auf die Frage nach ihrem Lieblingslied nennt Maria den Song «Was, wenn Gott einer von uns ist?» von Joan Osborne. Und Maria sagt dazu, und das ist die Schlusspointe des Buchs: «Ganz sicher ist er einer von uns. Womöglich sogar in uns .... vielleicht ist ja der Mensch der Stall, in dem Gott geboren wird.»
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Quelle: Livenet