Kirche mal anders
Die Braut Jesu – schwarz?
Die Kirche wird auch Braut Christi genannt, also ist sie hübsch frisiert, weisses Kleid, jung und tadellos? Die gothic- und metalaffinen Christen sind weniger mit weissem Hemd und Krawatte anzutreffen. Im Gegenteil – und zwar auch in der Kirche.
Eine Gothic-Kirche. Schwarz-gekleidete Gläubige mit Hang zum «Todernsten» haben eine eigene Gemeinde? Tatsächlich gab es sie, entstanden aus den Jesus-Freaks. Weshalb und wie es sie noch gibt, erzählen die Mitglieder selber.
Christsein, schwarz und Heavy Metal passt
Klären wir zuerst den provokanten Namen: «Der Name 'Schwarze Braut' ist ein Bildnis. Das Schwarze steht für die Welt des Metals. Es ist unsere Musik und unsere Kultur. Weiter sehen wir das Schwarz als Zeichen der Demut, Bescheidenheit und des Mystischen. Die Braut ist das Bildnis für die weltweite Gemeinde Jesu», erklären die Mitglieder selber und sagen über sich: «Wir alle aber lieben die Metal-Kultur. Zu irgendeinem Zeitpunkt kam Jesus in unser Leben und vieles hat sich geändert. Nicht aber unsere Herkunft. Womöglich findest du das jetzt ziemlich lächerlich. Oft haben wir gehört, dass das nicht zusammenpasst: Metal und Jesus – Das geht doch nicht! Wieso nicht? Nicht alle Skins sind Rechtsextreme. Nicht alle Black Metaller sind Satanisten. Nicht alle Punks leben in einem besetzten Haus. Nicht alle Langhaarigen sind asozial. Nicht alle Muslime sind Terroristen. Nicht jeder Christ ist ein Inquisitor. Wenn wir aber etwas gelernt haben sollten, dann ist es, andere so stehen zu lassen wie sie sind, ohne sie zu verurteilen. Wir wollen nicht sagen, dass wir darin perfekt sind. Aber wir haben uns zumindest vorgenommen, es zu versuchen.»
Fest zur Schwarzen Braut zählen sich neun Personen, die sich durchschnittlich zweimal im Monat treffen. Zusätzliche Besucher tauchen auch ab und zu auf. An einem Freitagabend gibt's Bibellesen, Abendmahl mit Input oder anderes Programm. Offiziell wurde die Szenen-Kirche 2004 gegründet.
Livenet war im Gespräch mit dem aktuellen Gastgeber Sven Bernleithner (35), der den Brautsaal zur Verfügung stellt.
Wie entstand die Schwarze Braut (SB)?
Sven
Bernleithner: Anfangs 2000er spürten
die übriggebliebenen Mitglieder der Jesus Freaks Bauma, dass ihnen allen vor
allem die Metal- und Gothicszene am Herzen liegt und sie eine Gemeinde gründen
wollen, welche Metallern und Gothen ein Zuhause gibt. 2004 wurde die SB
gegründet und im November feierte sie die Eröffnung in der ehemaligen Chrischonakapelle
in Wila ZH. Im Laufe der Jahre wurde aus der Metal- und Gothicgemeinde eine
reine Metalgemeinde.
Welche Leute kommen zu euch? Wie sieht die
Nische aus, die ihr in der Gemeindelandschaft schliesst?
In die SB kommen vor allem gläubige Leute, welche
Metal hören, aber auch vereinzelt Leute, welche in «normalen» Gemeinden keinen
Platz finden. Ich sehe die kirchliche Landschaft nicht anders als die
weltliche. Wer nicht in die Gesellschaft passt, passt auch nicht in eine
normale Freikirche; obwohl fortwährend betont wird, dass alle willkommen seien.
Wer sich nicht anpasst, ist früher oder später wieder draussen. Gerade wenn
noch Probleme da sind, die trotz Gebet und Seelsorge einfach nicht
besser werden, fängt man bei der Person, beim Lebensstil oder bei uns halt
häufig auch beim Musikgeschmack an zu suchen. Anstatt dass man die Person so nimmt, wie sie ist, mit allen Fehlern,
schlechten Gewohnheiten und Schwächen, will man sie in ein Christenschema
pressen. Wem das nicht passt, der fühlt sich bald fehl am Platz oder wird
gemieden.
Was wollt ihr bewirken?
Wir wollen einen Ort bieten, an dem sich Metaller
wohl fühlen und sie etwas vom christlichen Glauben mitnehmen können. Metaller
hören gerne ihre Musik, weniger den modernen Pop oder den weichen Rock, wie er
in anderen Gemeinden gespielt wird. Zudem ist die Metalszene eine Szene, welche
viele Menschen nicht verstehen, genauso wie zum Beispiel die Punkszene. Sich mit
Gleichgesinnten zu treffen, ohne sich verstellen zu müssen und trotzdem den
Glauben leben zu können, das wollen wir selber und auch für andere.
Gib uns ein, zwei Beispiele, wie Ihr Gott
erlebt habt.
Wir erleben immer wieder Veränderungen von Menschen.
Nicht das klassische Bekehren, sondern dass Leute merken, dass sie ok sind, so
wie sie sind. Wir hatten einen Besucher, welcher im Laufe der Zeit
bei uns von seinen Antidepressiva wegkam und ein ganz anderer, aufgestellter
Mensch wurde, so wie er eigentlich war. Sein Bruder, der überhaupt nichts
mit Christen zu tun hatte, hatte ihm nach einer eher bedenklichen
Freikirchen-Odyssee empfohlen, es doch mal bei uns zu versuchen.
Während der Zeit, als wir noch eine Location hatten, gab es immer wieder Besucher, welche einfach mal bei uns reinschauen wollten. Dabei waren normale Passanten bis zu Jugendarbeitern, welche von weither mit ihren Teenies vorbeikamen. Und immer wieder bekamen wir Ermutigung zu unserer Arbeit. Sei es, dass manche erkannten, dass Christen gar nicht nur verkappte, geldgierige Sektierer sind, oder auch, dass sie selten so eine ehrliche Willkommenskultur angetroffen hätten, welche sie in anderen Kirchen vermissten.
Wie sehen eure Zukunftspläne und -wünsche
aus?
Wir wünschen uns schon lange eine Location, an der
wir uns treffen können, nach unserem Geschmack einrichten dürfen und
regelmässig Events wie Konzerte durchführen können. Wir haben auch vor einigen Jahren mit einem Metal-
und Rockbrocki begonnen, um unsere Gemeindefinanzen aufzubessern. Bisher hat es
einige Male für einen Stand am Elements of Rock und an eigenen Veranstaltungen
gereicht. Gerne würden wir das in unserer Location integrieren.
Abgesehen davon wäre es natürlich schön einige Besucher mehr zu haben und das Programm etwas üppiger zu gestalten. Die Hemmschwelle, an einem privaten Ort eine Gruppe zu besuchen, ist natürlich hoch, weshalb wir selten neue Besucher habe.
Wer oder was ist Gott für dich persönlich?
Für mich persönlich? Unser Schöpfer, welcher für uns
nach dem Tod einen Platz in seinem Reich vorbereitet hat.
Zur Webseite:
Schwarze Braut
Facebookseite der Schwarzen Braut
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Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet