Hat die Zukunft Kirche?

Offener Dialog von ICF-Pastor und EKD-Präses

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Tobias Teichen (l.) und Anna-Nicole Heinrich (Bild: pro-medienmagazin)
Es passiert nicht oft, dass sich die Evangelische Landeskirche (EKD) und eine Freikirche so unverkrampft begegnen. Es mag auch daran gelegen haben, dass die zwei Geprächspartner beim ERF-Themenabend zur jüngeren Generation gehörten.

ERF-Medien hatte EKD-Präses Anna-Nicole Heinrich und Tobias Teichen, den Pastor der Gemeinde ICF München, eingeladen. Selten liess sich eine so lockere wie angenehme Diskussion erleben, ohne erkennbare Eitelkeiten, Konkurrenz und Rechthaberei.

Zahlensymbolik ist nicht so wichtig

Dass bald weniger als die Hälfte der Deutschen einer Kirche angehören, ist für Präses Heinrich kein Grund zur Alarmstimmung: «Das ändert nichts. An den Zahlen macht sich nicht so viel fest, wie viele meinen.» Heinrich antwortete auf die Frage nach der Zukunft der Kirche: «Gott, an den ich glaube, nimmt uns an und begleitet uns. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das einmal nicht mehr tut.» Deshalb gebe es immer Kirche und deshalb habe die Kirche auch immer eine Zukunft.

«Staatsvertrag ist nicht das Topic, das mich beschäftigt»

Auch dass es einmal mal keinen Staatsvertrag mehr zwischen der Evangelischen Kirche und dem deutschen Staat geben könne, sei «nicht das Topic, mit dem ich aufwache und einschlafe». Was auch immer hier komme, werde «die Gemeinschaft der Christen nicht kaputtmachen». Vereinfacht ausgedrückt, regelt der Staatsvertrag die Rechte der evangelischen Kirche in Deutschland, die Möglichkeiten seiner Selbstbestimmung und die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat in der Bundesrepublik.

«Was tot ist, verschwindet»

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Beim ERF-Talk
Tobias Teichen zeigte sich überzeugt, dass eine lebendige Kirche immer eine Zukunft habe. «Aber was tot ist, verschwindet.» Für die Kirche bleibe Mission der Kernauftrag. Wenn Kirche nicht missioniere, schaffe sie sich ab. «Wenn ich begeistert bin vom Glauben, dann möchte ich, dass das auch andere haben.»

Teichen machte weiter deutlich, wie wichtig Freiheit für den modernen Menschen und das demokratische System sei. Diese Freiheit sei Teil des christlichen Menschenbildes, «das wussten auch die Väter des Grundgesetzes».

«So stolpern wir in die Herzen der Menschen»

Anna-Nicole Heinrich beschrieb Mission so: «Sie ergibt sich aus meinem christlichen Leben. Ich bezeuge meinen Glauben und hoffe, dass ich andere mitreisse. Wir erzählen von uns, von dem, was trägt, wir stellen Fragen und wir zweifeln auch und so bekommen andere einen Zugang dazu. So stolpern wir in die Herzen der Menschen.» Dabei müsse sich der Glaube auch durch Taten zeigen.

Darauf angesprochen, was Landeskirche und Freikirche voneinander lernen könnten, sagte Teichen, dass jede Kirche von der anderen lernen könne. Er würdigte die Tiefe der Liturgie in der evangelischen Kirche, die in kurzen Sätzen viel Inhalt und Tiefgang vermittele. Anna-Nicole Heinrich lobte, wie sehr sich Freikirchen wie die ICF auf ihre Kompetenz und auf das konzentrierten, was sie gut machten. Ihre Kirche brauche demgegenüber «weniger Giesskanne und mehr Tauchsieder». Strukturen und permanente Reflexion bremsten vieles aus.

Digitale Arbeit bleibt auch nach Corona wichtig

Die durch Corona verstärkte digitale Präsenz vieler Kirchengemeinden wird es auch nach der Pandemie weitergeben, so die Präses. Sie erwarte, dass sich in diesem Bereich vieles bündeln und professionalisieren werde.

Tobias Teichen bezeichnete den digitalen Bereich als «ein breites Eingangstor», das den Erstkontakt zu vielen Menschen leichter möglich mache. «Paulus hätte es sicher auch gemacht.» Es gebe viele Suchende, die über das Internet in Kontakt mit Religion kämen. Wichtig, so Teichen, sei ihm auch, dass die Kirchen sich auch um Gamer bemühten und ihnen Angebote mache. Doch sei es auch Aufgabe der Kirche, Menschen zu einem aktiven Leben zu ermutigen und nicht dazu, «auf der Couch zu sitzen und nur auf den Monitor zu schauen».

Bisher Jüngste EKD-Präses

Anna-Nicole Heinrich wurde im Mai 2021 mit grosser Mehrheit zur Präses, also zur Vorsitzenden der EKD-Synode (dem Parlament der evangelischen Kirche), gewählt. Damals war sie 25 Jahre alt und die bisher jüngste in diesem Amt. Heinrich ist in einem nicht-christlichen Elternhaus aufgewachsen und wurde im Schulalter getauft. In Regensburg lebt Anna-Nicole Heinrich mit ihrem Ehemann in einer Vierer-Wohngemeinschaft. 

Das Gespräch der beiden Kirchenvertreter moderierte Jörg Dechert, seit 2014 Vorsitzender von ERF-Medien.

Zum Thema:
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Datum: 09.02.2022
Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet

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