Wie vor 100 Jahren
Offene Beizen und geschlossene Kirchen
Das
hatten wir doch schon einmal: geschlossene Kirchen und offene Beizen. Damals,
vor 100 Jahren, gründeten die Freikirchen einen Verband, um besser lobbyieren
zu können. 2020 finden dagegen die Katholiken die Regelung ungerecht und machen
Druck. Bringt ihr Lobbying Erfolg?
Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) dagegen pocht auf eine frühere Öffnung. In einem Schreiben an den Bundesrat fordert Felix Gmür, Bischof von Basel und Präsident der Bischofskonferenz, dass Gottesdienste ab Auffahrt oder spätestens an Pfingsten wieder stattfinden können.
«Nicht mehr zu vermitteln»
Seine Begründung hätte gerade so auch vom Freikirchenverband kommen können: Die Kirchen hätten die Anti-Coronamassnahmen stets mitgetragen und nach bestem Wissen und Gewissen den Gläubigen vermittelt, «denn das Gottesdienstverbot in der Karwoche und an Ostern war für viele Menschen schwer zu ertragen», heisst es in dem Brief. «Dass seit dem 11. Mai vieles möglich und offen ist, Gottesdienste aber verboten sind, ist nicht mehr zu vermitteln», schreibt Gmür. Für Hunderttausende seien wöchentliche Gottesdienste ein existenzielles Verlangen: «Sie brauchen eine Perspektive.»
Imageschaden vermeiden
Die Freikirchen verzichten jedoch auf eine solche Demarge, obwohl die Lockdown-Massnahmen sie existentiell stärker treffen als die Landeskirchen. Diese sind finanziell durch die Kirchensteuern abgesichert, die immer noch fliessen, während den freikirchlichen Gemeinden manche in ihrem Budget vorgesehene Kollekte fehlen wird. Sie wollen keinen Imageschaden riskieren, der unvermeidlich wäre, wenn nach einem Pochen auf möglichst baldige Gottesdienste in einer Gemeinde das Virus neu ausbrechen sollte. Dies, nachdem bereits im Elsass und in Südkorea freikirchlich-charismatische Gottesdienste das Virus verbreitet hatten (Livenet berichtete).Mit Kreativität und eingespielter Technik
Viele Freikirchen haben es jedoch geschafft, mit viel Kreativität online mit ihren Mitgliedern in Kontakt zu bleiben und diese anzuregen, mit Gott und den Mitchristen in Kontakt zu bleiben. Sie waren den meisten landeskirchlichen Gemeinden technisch voraus und konnten ohne Verzögerung Gottesdienste via Streaming anbieten. Das war vor 100 Jahren nicht möglich. Für Katholiken hingegen ist die physische Präsenz in der Messe wichtiger, während den freikirchlichen Christen die Gemeinschaft fehlt, die jetzt nur im kleinen Kreis möglich ist.
Ein Treffen mit dem Bundesrat
Nun will sich Bundesrat Berset mit Vertretern der Kirchen – auch aus der Evangelischen Allianz und dem Freikirchenverband – treffen. Ob dann Gottesdienste bereits ab Auffahrt und Pfingsten möglich sind, wie es die Katholiken fordern, wird sich zeigen. Noch wichtiger für alle wird es sein, dass auch Gottesdienste nach dem 8. Juni wieder zugelassen sind. Denn das ist bislang immer noch offen.
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Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet