«Best Practices» im Zoom-Talk

«Sehr ermutigend, was in der Gemeinde passiert»

Ein Livenet-Talk mit Pastoren und Gemeindeleitern aus der ganzen Schweiz kurz vor Ostern bringt es an den Tag: Die Corona-Krise führt in Kirchen und Freikirchen zu einem Innovationsschub, offenbart aber auch «Schwächen des Systems».

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Sebastian Würth von der FEG Olten nahm am Live-Talk zu Ideen für den Gemeindealltag teil. (Bild: Youtube)
Kirchen dürfen keine Gottesdienste mehr abhalten, in der Regel das Zentrum des gemeindlichen Lebens. Auch Seelsorge, Sitzungen und persönliche Kontakte sind stark eingeschränkt. Wie gehen die Kirchen damit um? Wie wirkt sich der Umstieg auf Internet-Betrieb auf das Gemeindeleben aus? In einem Live-Talk mit Pfarrern und Gemeindeleitern aus Frei- und Landeskirchen zeichnen sich positive Trends ab.

Weit über die Gemeinde hinaus

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Dany Rohner
Gottesdienste und Inputs per Internet haben offenbar eine Wirkung weit über die Grenzen der Gemeinde hinaus. Dany Rohner der FEG Visp erklärt: «Wir haben uns gegen Livestreams entschieden. Die Leute sollen als Ersteindruck nicht eine leere Kirche sehen. Stattdessen senden wir jeden Tag kurze 5-Minuten-Clips zur Ermutigung, etwa mit dem Psalm 23.» So können die Leute «täglich ihren Pastor sehen und merken, dass er noch arbeitet». Der Effekt: «Es hat uns wahnsinnig erstaunt, welches Echo diese Kurz-Inputs ausgelöst haben.» Die Clips würden sehr stark von den Leuten geteilt und weitergegeben. «Wir wenden uns nicht nur an die Gemeinde, sondern ans Oberwallis», so Rohner. «So lernt die Bevölkerung die Gemeinde kennen und bekommt das Evangelium mit.» 

Auch Markus Bettler vom CLZ Spiez stellt fest, dass die ausgestrahlten Gottesdienste weit über die Gemeindegrenze hinaus wirken: «Normalerweise haben wir 500 Besucher im Gottesdienst, die Livestreams aber werden von 2'500 Leuten angeguckt.» Sebastian Würth von der FEG Olten erlebt ebenfalls, dass sich kirchenfremde Menschen auf die Livestreams der Gottesdienste hin bei ihm melden.

«Die Leute kümmern sich mehr umeinander»

Eine weitere Kernaufgabe der Gemeinde ist die Betreuung der Gemeindeglieder. Markus Bettler: «Die Hauskreise haben auf 'Zoom' umgestellt, so sind 70 Prozent der Gemeinde abgedeckt. Senioren werden angerufen, damit sich keiner einsam fühlt.» Für Sebastian Würth (FEG Olten) ist es «sehr ermutigend», was in der Gemeinde passiert: «Die Leute kümmern sich umeinander, praktisch von selbst ist ein Hilfsnetzwerk entstanden. Diese Kontakte und diese Empathie gab es vorher nicht.»

Seine Gemeinde nimmt persönliche Zeugnisse auf und stellt sie ins Netz. «Man ist schon Jahre zusammen unterwegs, aber man kennt die persönliche Geschichte nicht. Diese Zeugnisse werden auch geteilt – z.B. hört die ganze Familie zu, weil es im Internet ist. So ist oft mehr möglich als im persönlichen Gespräch.»

«Der Pastor ist jetzt der Papi»

Der Mittelpunkt der Gemeinde hat sich vom Gemeindegebäude ins Wohnzimmer verlagert. Für Timon Studler von der GVC Winterthur ist die Frage wichtig: «Wie bringen wir Kirche heim zu den Leuten in die Stube?» Die Gemeindeglieder sollen nicht nur angepredigt werden, sondern daheim «Gottesdienst feiern». «Der Pastor ist dann der Papi, nicht mehr der in der Kirche», so Studer. «Wir bieten etwas an, was sie daheim machen können.» Die Leute sollten nicht nur zuschauen, sondern «Chile dahei» üben. «Jeden Tag wird ein Thema aus der Stube von jemandem gesendet – mit Worship, Gebet, Spielen usw. – und das wird rege genutzt.» Auch andere Gemeinden betonen: «Der Kleingruppenleiter ist jetzt der Pastor – er betreut seine Gruppe, die Gemeinde gibt Inspiration dazu.»

Kirche ist erste Instanz, wenn es um Hilfe geht

«Wir waren die ersten, die praktische Hilfe angeboten haben», erklärt Pfr. Remo Kleiner von der Reformierten Kirche Berg TG. Fahrdienste wurden angeboten, der Mahlzeitendienst übernommen «Alles wurde abgesprochen mit der politischen Gemeinde, die offen und dankbar war. Die Kirche ist die erste Instanz, wenn Hilfe gebraucht wird», so Kleiner. «Wir haben einen WhatsApp-Chat mit 70 Helfern drin – 32 Menschen werden im Moment konkret unterstützt.» Das führt laut Kleiner dazu, dass die Kirchgemeinde nicht mehr als zu fromm und suspekt angesehen, sondern bei der Bevölkerung sehr geschätzt werde.

Für jede Generation das richtige Gefäss

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Timon Studler
Schliesslich: Wichtig sei, dass für jede Generation das entsprechende Medium genutzt wird, in dem sie sich aufhalten. Senioren werden in den meisten Gemeinden persönlich angerufen, «auch wenn uns das einiges an Zeit kostet», wie ein Pfarrer bemerkte.

Und die Jugendlichen? «Teenies erreichen wir vor allem über Instagram – wir wollen da sein, wo die Teenies sind», erklärt Timon Studler von der GVC Winterthur. «In der T-Church gibt es jeden Tag kleinen Clip, z.T. interaktiv.» In den kurzen Clips von max. 45 Sekunden kommen Themen vor wie «Welcher Worship-Song ist euch am wichtigsten» und andere.

Auch Pfr. Remo Kleiner erreicht seine Jugendlichen interaktiv über WhatsApp, die Jugendgruppe trifft sich über Zoom. Zum Worship, der live übertragen wird, kommen z.B. interaktive Wettbewerbe. Jugendgottesdienste werden live auf Youtube übertragen.

Rast der Glaube in den Keller?

«Hilfe, meine Gemeinde wird nicht mehr betreut!» Diesen Hilferuf schliesslich hört Dany Rohner in diesen Tagen häufig – und reagiert kritisch: «Ich habe mich echt gefragt, ob wir nicht via Gemeindeprogramm die Leute an uns binden. Es kann doch nicht sein, dass der Glaube der Gemeindeglieder jetzt in den Keller fällt, nur weil keine Gottesdienste mehr stattfinden. Vielleicht offenbart Corona jetzt Schwächen unseres frommen Systems, in dem wir stecken.» Sein Schluss: «Jetzt haben wir die grosse Chance, zu lernen: Wie kann ich den Glauben an Jesus eigenverantwortlich allein und als Familie leben und umsetzen, ohne dass der Pastor uns dauernd nachfragt und wir ständig irgendwelchen Programmen nachrennen?»

Zum Thema:
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Datum: 13.04.2020
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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