Vinzenz Wyss
Christliche Werte in neue sinnstiftende Erzählungen verpacken
Im Forum «Kommunikative Theologie» wies der Medienwissenschafter Prof. Vinzenz Wyss darauf hin, wie heutige Menschen mit der christlichen Botschaft erreicht werden können.
Medien tun sich schwer mit der Vermittlung religiöser Inhalte. Dies bestätigte Vinzenz Wyss nach einem ausführlichen Exkurs zum aktuellen Stand der Kommunikationswissenschaft. Und er verwies dabei auf den bedeutenden Medienwissenschafter Niklas Luhmann, der die These vertritt, religiöse Kommunikation werde heute gar nicht mehr verlangt. Religion gilt in unserer Gesellschaft als etwas Privates.
Religion und Irritation
Religion komme zwar in den Medien weiterhin vor, bestätigte Wyss am «Forum Kommunikative Theologie» am Mittwoch, allerdings vor allem dann, wenn sie mit Irritationen verbunden sei. Religion in Verbindung mit Krieg, Missbrauch und Kriminalität. Oder allenfalls mit Prominenz, wobei die Katholiken mit ihrem Papst im Vorteil seien. Allerdings hätten sich «narrative Rollenmuster» entwickelt. So werde heute die katholische Kirche mit sexuellem Missbrauch in Beziehung gebracht, Juden mit Verfolgung, Muslime mit Terror, Freikirchen mit einer anderen Welt... Es gelte daher für Kirchen, neue narrative Muster (= sinnstiftende Erzählungen) zu entwickeln, zum Beispiel eine Freikirche mit einem interessanten Sozialprojekt.
Christliche Werte in neuen Kanälen
Dennoch räumt Vinzenz Wyss auch den christlichen Kirchen Chancen bei der medialen Vermittlung des Evangeliums ein. Er regte an, Glauben und christliche Werte in Geschichten zu kleiden. Zudem verwies er darauf, dass gerade christliche Werte wie Vergebungsbereitschaft, Verantwortung und Friedfertigkeit heute attraktiv seien. Er rät dabei, auch neue Kommunikationskanäle auszuprobieren, auf denen sich Menschen bewegen. Auch wenn diese Kanäle – insbesondere die sozialen Medien – voller Geschwätzigkeit seien.
Posttraditionale Kommunikationsgemeinschaft
Er ortet eine neue Sehnsucht nach Gemeinschaft und ein Vertrauen in das «Unhinterfragte». Allerdings äussere sich der Wunsch nach Gemeinschaft eher in «temporären Vergemeinschaftungen», einem «frei gewählten Erleben von Gemeinschaft». Er beobachtet somit eine Verschiebung von traditionellen Gemeinschaftsmustern zu einer unverbindlichen Gemeinschaftung, also Gemeinschaften, die man ohne Probleme wieder verlassen könne, um neue zu suchen. Er sieht aber auch eine Verschiebung von Wissensgemeinschaften zu Kommunikationsgemeinschaften, wo man gemeinsame Ansichten und Werte teilt.
Im Forum Kommunikative Theologie referierten auch Harald Seubert, Professor für Philosophie an der STH Basel und Dozent für Politische Philosophie an der Hochschule für Politik München, Stefan Felber, Dozent für Altes Testament am tsc, die Pädagogik-Dozentin Rahel Bidlingmaier, Jean-Georges Gantenbein, Dozent für Interkulturelle Theologie, und die Sprachtherapeutin Damaris Tschirner.
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Quelle: Livenet