Tagung auf dem Bienenberg
Was singen wir da eigentlich?
Die tatsächliche Theologie einer Gemeinde lässt sich an ihren Lieblingsliedern erkennen, so Christian Schwarz. Was und wie wir singen, ist nicht egal. Das umso mehr in einem Kontext, in dem nach Meinung von Soziologen Religion immer mehr zum Erleben kondensiert.
Will die Kirche eine bestimmte Generation nicht komplett verlieren, muss sie mit der sonstigen Popkultur mithalten, muss sie multimedial sein. Ohne suggestive Kollektivatmosphären geht es nicht mehr. Welche Konsequenzen hat das für die Gemeinde? Zwischen kritikloser Übernahme von Popkultur oder totaler Ablehnung gibt es für die Theologen auf dem Bienenberg einen dritten Weg, den des «Transforming Worship.»«Anna» verstehen
Da ist Anna. Nicht über dem Bibellesen oder der Predigt macht sie tiefste Gotteserfahrungen. Entlang der Studie zur Jugendkultur von Tobias Faix sagt sie mit 64 Prozent anderen, dass Lobpreis sie am meisten stärke. Ihr Lobpreisleiter ist wichtiger als ihr Pfarrer. Ziel des Seminars sei es, «Anna» zu verstehen, so Tagungsleiter Dennis Thielmann, selbst Musiker. Transformation müsse mit ihr, und nicht gegen sie passieren.
Welche Geschichte von Gott erzählen wir eigentlich?
Es gibt jedoch zunehmend Anfragen an moderne Lobpreiskultur. Sie überbetone Romantik. Sie fördere Lebensferne. Sie huldige einem Triumphalismus und verwende gerne «Kreuzzugsvokabular». In ihrem künstlerischen Ausdruck sei sie schwindelerregend einfältig. Brian McLaren fasst dazu sinngemäss zusammen: «Wenn uns Christen ein Ausserirdischer begegnen würde, würde er sagen, dass wir zu den wohlhabendsten Menschen der Welt gehören, die in jeder Hinsicht mehr gesegnet sind als andere. Aber uns einen Dreck um den Rest der Welt kümmern.» Themen der sozialen Gerechtigkeit fehlen weitestgehend. Transformieren heisse aber nicht, dass wir schnell ein paar Klage- oder Friedenslieder draufsetzen. Es gehe viel tiefer, so Lukas Amstutz, Leiter des Bildungszentrums Bienenberg. Er fragt: Welche Geschichte von Gott erzählen wir? Welche Welt wird imaginiert? Er ermutigt, eine inhaltliche Debatte zu führen, Werte und den theologischen Mutterboden abzuklopfen, aber nicht darauf zu verengen. «Everything speaks», alles spricht: Auch, wie wir etwas darstellen. Musik deute Wirklichkeit. Er plädiert für ästhetische Einfachheit oder auch, ökologische Ressourcen zu bedenken.«Jünger, nicht Fans produzieren»
Die Besucher des Seminars erhielten den Auftrag, anhand von theologischen Leitlinien über Songthemen zu entscheiden. Sie machten ein Ranking zu dominierenden Themen in eigener Praxis. Sie schauten sich ein Lobpreisvideo an und fragten: Was fasziniert, was irritiert? Sie untersuchten seine Dramaturgie: «Flow braker», «Mood to Mood» oder «Plan Moments». Das alles gelte es zu nutzen, aber auch zu reflektieren. «Wenn wir die Marktlogik säkularer Liturgien beim Fussball, in Einkaufstempeln kopieren und ganz auf sie setzen, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir am Ende Fans oder Zuschauer produzieren, aber keine Jünger Jesu», meinte Lukas Amstutz.
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Autor: Dorothea Gebauer
Quelle: idea Schweiz