Fragen an Martin Fischer
Wie sind die Sozialwerke Pfarrer Sieber für die Zukunft aufgestellt?
2005 erlebten die
Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber (SWS) eine Krise. Martin Fischer wurde damals
als Gesamtleiter berufen. Wir fragten ihn, wie er diese Phase bewältigt und wie
er Pfarrer Sieber in dieser Zeit und danach erlebt hat. Und welche
Zukunfschancen er den «Sieber-Werken» gibt.
Martin Fischer: Als ich in die Stiftung eintrat, erlebte ich Ernst Sieber als sehr
verunsicherten Menschen. Die Frage plagte ihn, wie er das bisher Erreichte und
Geschaffene in die Zukunft retten könnte, nachdem so viel Gegenwind aufgekommen
war. Wie kann das Ziel, Menschen, die an den Rand gedrückt werden, ein Nächster
zu sein, weiterhin verfolgt werden? Verunsichert war er auch, weil die
Stiftungsaufsicht ihn nicht mehr in der Stiftungsleitung sehen wollte. Sie
drängte ihn zum Rücktritt als Stiftungsratspräsident und wies ihm andere Prioritäten zu. Das
war für ihn eine grosse Herausforderung!
Wie hat er es
schlussendlich doch geschafft?
Er hat es geschafft, weil ihm mit der neu aufgestellten
Gesamtleitung ein Team zur Seite stand, dem er Schritt für Schritt Vertrauen zu
schenken wagte. Wie wir gemeinsam mit ihm an die schier unlösbaren Aufgaben
gingen, wuchsen auch «unserem Pfarrer» neue Flügel. Dafür vorbereitet wurde er
wohl bereits 2004 durch den ihm zur Seite gestellten Krisenmanager Joachim Focking.
Nun war da also ein Team, das gut zusammenarbeitete und den Neustart
ermöglichte. Die von Stiftungsaufsicht,
Landeskirche und kantonalen Behörden neu beschlossene Unterstützung war Balsam
für ihn.
Sie haben die
Aufgabe als Stiftungsleiter übernommen – und das Werk wieder auf Kurs gebracht.
Wie haben Sie diese Herkulesaufgabe geschafft?
Ich habe eine innere Freiheit dazu gewonnen, den Neustart zu
schaffen, auch im Bewusstsein, dass ich damit scheitern könnte. Ich vertraute
darauf, dass der gleiche Jesus, der schon Ernst Sieber in diese Aufgabe berufen
hatte, auch an der Zukunft dieses Werkes interessiert ist. Mit diesem Vertrauen
ging ich am Morgen oft betend durch den Lärm, Gestank und Dreck auf der
Hardbrücke in Richtung Büro. Mit leeren Händen, stummen Gefühlen, und nicht selten heissem Gebet. Ich wollte
dem Gott vertrauen, der mit Pfarrer Sieber Menschen eine Heimat geschaffen
hatte. Orte der Liebe. Sollten diese denn nun alle zur Disposition stehen? Ich
konnte auch auf den Stiftungsrat setzen. Der stützte mich. Unvergesslich auch
Ernst Sieber selber. Manchmal war er ein zwar unerhört fordernder, zugleich
aber wirklich väterlicher Freund!
Sie haben dann
die Leitung 2011 abgegeben. Blieb Ihr Kontakt zu Pfarrer Sieber danach
erhalten?
Es gab immer wieder Kontakte und Anrufe von ihm. Besonders das «Bundesdörfli», das ihm ein grosses Anliegen war, und für das er bereits als
Nationalrat grünes Licht und Unterstützung erhalten hatte, beschäftigte ihn.
Das wollte er vorantreiben. Und er suchte dazu auch meine Unterstützung. (Es
wurde dann als «Brothuuse» schliesslich Wirklichkeit, Anm. d. Red). Mit meinem
Nachfolger Pfr. Christoph Zingg und leitenden Mitarbeitenden stehe ich bis
heute in freundchaftlichem Kontakt.
Welche Zukunft
haben die Stiftung und ihre Werke nach Ihrer Einschätzung nach dem Tod der
überragenden Persönlichkeit des Gründers?
Ich sehe in ihnen ein grosses Potential für die Zukunft. Ich bin
überzeugt, dass die Sozialwerke Pfarrer Sieber in der Art wie sie heute
aufgestellt sind, weiterbestehen können. Und sie können auch weiter für dieselben Anliegen einstehen, für die ihr Gründer angetreten ist.
Sicher, Ernst Sieber wird fehlen. Die jetzige Leitung hat in den vergangenen 10
Jahren jedoch schon längst den Tatbeweis erbracht, dass sie Pfarrer Siebers
Erbe glaubwürdig weiterzuentwickeln weiss!
Welche Erinnerung an Ernst
Sieber ist für Sie prägend?
Es ist für mich nicht zufällig, dass Pfarrer Sieber ausgerechnet
an Pfingsten verstorben ist. Pfingsten war neben Weihnachten für ihn das
wichtigste Fest. An Weihnachten kam Jesus nach Bethlehem, also nach «Brothuuse». Das war Ernst Siebers
Übertragung für «Beth-le-hem». Menschen
sollen Brot des Lebens erhalten. Deshalb auch hat er sich in den vergangenen 15
Jahren zu Weihnachten jeweils mit hunderten Notleidender zur Weihnachtsparty
ins Hotel Marriot einladen lassen. Und Pfingsten, da hat der Heilige Geist nach
Ernst Siebers Überzeugung vor allem eines gewollt; Gemeinschaft stiften,
Menschen zusammenführen, sie in seine Nachfolge rufen und in die
Verantwortung stellen. Es scheint, als hätte «unser Pfarrer» sein Leben «als
Gottesknecht» ausgerechnet an diesem symbolträchtigen Festtag abschliessen
wollen.
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SWS
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Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet