Rote Zahlen

Chrischona sucht den Weg in die Zukunft

Wohin geht Chrischona? Der rote Titel der aktuellen Chrischona-Hauspostille «Panorama» schlägt Alarm. Denn beim international verzweigten Werk sind auch die Zahlen tiefrot. Ein Spendeneinbruch zwingt zum Handeln. Dabei läuft bei Chrischona das Kerngeschäft ganz erfreulich.

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Blauer Himmel über St. Chrischona? Auf die finanzielle Lage des Werks trifft dies nicht zu. Die Zahlen sind tiefrot.
Chrischona-Direktor René Winkler vergleicht die Lage des Chrischona-Werks mit einer Radtour: «Wir befinden uns ohne Zweifel am Anfang einer längeren Steigung. Aber wir sind viele. Wenn alle etwas Gepäck übernehmen, schaffen wir es gut. Doch wir müssen ein paar Dinge ändern, damit unsere Reise interessanter wird. Mehr Flexibilität und Freiheit ist gefragt. Unsere gemeinsamen Reiseziele müssen deshalb reduziert werden. Das Gepäck soll auch leichter werden. Es wird deshalb sortiert, reduziert und hoffentlich besser verteilt. Und wir planen unsere Weiterreise so, dass sich uns problemlos auch weitere Reisende anschliessen können.»

Neuausrichtung mit zwei Hauptlinien

Mit dieser Metapher umschreibt Winkler die strategische Neuausrichtung des Werks. Das 27-köpfige Komitee als oberstes Leitungsgremium hat sie in den letzten Wochen und Monaten diskutiert und am 9. und 10. September 2017 mit 24 zu 1 Stimme beschlossen. Auslöser des Bebens, das St. Chrischona erschüttert, ist ein massiver Spendeneinbruch im letzten Jahr. Statt der erhofften 3,9 Millionen Franken flossen nur 2,9 Millionen an Spendengeldern. Und im laufenden Jahr sieht es nicht nach einer Wende aus. Die neue Strategie soll zu gesunden Finanzen führen und verfolgt zwei Hauptlinien.

Chrischona-Campus wird eigenständig

Erstens: Der Chrischona-Campus wird eigenständig, die Bildungsarbeit des Theologischen Seminars (tsc) gestärkt. Seminar, Konferenzzentrum, Liegenschaften und Infrastruktur sollen in Zukunft als selbständig arbeitende Zweige gewinnbringend bewirtschaftet werden. Das tsc wird rechtlich auf eigene Füsse gestellt. Dabei soll die theologische Ausbildung wie bisher durch Studiengebühren und Spenden finanziert werden. Die Weiter­bildungsangebote müssen künftig selbsttragend sein. Das Auseinanderdividieren des grossen Komplexes ist ein Gebot der Stunde. Bislang ist alles im Verein Chrischona International zusammengefasst. Das hindert schnelle betriebswirtschaftliche Entscheidungen, wie sie heute – zum Beispiel im Bildungsbereich – nötig sind. Das tsc verspricht sich von der Neuerung kürzere Entscheidungswege und den Spielraum, seine Angebote weiterzuentwickeln, flexibel zu handeln und Partner zu gewinnen.

Der Verband wird zum Netzwerk

Zweitens: Der Verband wird zum Netzwerk. Die Einheit im inzwischen 177-jährigen Verband ist zunehmend lose geworden. Die Länderverbände arbeiten vermehrt eigenständig, und zwar auf nationaler Ebene und in Kooperationen mit anderen Verbänden. Das schwächt die Verbundenheit mit dem internationalen Gesamtwerk und dem Hauptsitz auf St. Chrischona. Neu soll sich die bisherige Zusammenarbeit innerhalb des Chrischona-Verbandes zu einem Netzwerk entwickeln. Im Fokus stehen die Themen Bildung und Gemeinde mit dem tsc als zentralem Impulsgeber. Chrischona will sich über die eigene Denomination hinaus verstärkt für weitere Partner öffnen, die sich mit den Themen Gemeindeentwicklung, Gemeindegründung sowie der Weiterbildung haupt- und ehrenamtlicher Gemeindemitarbeiter beschäftigen. Ob und wie sich dieses Netzwerk bilden soll – in welcher Form und nach welchen Spielregeln – ist aber noch nicht klar.

Das Werk wird aufgesplittet, die Führung schlanker

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Die rote Titelseite des Chrischona-Magazins weckt Aufmerksamkeit.
Wie verwoben und letztlich wenig flexibel St. Chrischona strukturiert ist, zeigt der Blick auf das Chrischona-Komitee. Das ist die Mitgliederversammlung des Vereins Chrischona International und oberstes Entscheidungsorgan. Das 27-köpfige Gremium wird von Thomas Rudin geleitet. Sechs Mitglieder sind vom Leitungsteam von Chrischona International: Die Länderleiter Schweiz, Deutschland, Frankreich, der Geschäftsführer, der Leiter Dienstleistungen und der tsc-Rektor. Sie sitzen am Tisch mit acht Verbandsdelegierten von Chrischona Schweiz, fünf Vertretern von Chrischona Deutschland, zwei von Vision France, einer Schwester vom Diakonissen-Mutterhaus St. Chrischona sowie je einem Vertreter des Verlags Fontis und des Israel­werks amzi. Sie alle reden und entscheiden bei Chrischona International mit, ohne dass mit ihnen Mitgliederbeiträge vereinbart wären. Das heisst, die Zusammensetzung und die Grösse des Führungsgremiums trägt das Theologische Seminar und die übergeordnete Verbandstätigkeit ungenügend. Nach dem Spendeneinbruch gerät der Chrischona-Campus ins Schlingern. Nicht zum ersten Mal. Vor 20 Jahren wurde die Zusammenarbeit innerhalb des Verbandes neu definiert. Doch für die Finanzierung des Theologischen Seminars und die Verbandsarbeit wurden damals keine verbindlichen Regelungen getroffen. Umso härter wird die Umstrukturierung heute. Jetzt drängt die Zeit.

Spenden in Zukunft nur noch für die Bildungsarbeit

Chrischona-Finanzchef Roland Krähenbühl: «Die strategischen Entscheidungen des Komitees erlauben uns, Strukturen zu schaffen, die einfacher und verständlicher sind.» Spätestens ab 2020 sollen Spenden ausschliesslich für die Bildungsarbeit gesammelt werden. Das heisst, die anderen Bereiche auf dem Chrischona-Campus müssen mittelfristig gewinnbringend arbeiten. Das hat Folgen: Chrischona International will bisher von Spenden getragene Dienstleistungen in Zukunft entweder nicht mehr anbieten oder sie verrechnen. Auf dem Chrischona-Campus herrscht schon jetzt ein strikter Sparkurs. Jede Anstellung, jede Investition wird zweimal überprüft. Doch um die Finanzlage ins Lot zu bringen, sind weitere einschneidende Massnahmen erforderlich.

Die Übergangszeit ist sensibel

Gerade für die jetzt anbrechende Zeit des Übergangs ist Chrischona auf viel Unterstützung angewiesen. Roland Krähenbühl erklärt im «Panorama»: «Kleinere und grössere Darlehen sind für uns äusserst wichtig, um ohne Bankkredite Schwankungen in der Liquidität auffangen zu können.» Dies sei kein Risikokapital, weil der Wert der Liegenschaften und Grundstücke auf dem Chrischona-Campus weit über dem Wert aller bisher erhaltenen Darlehen liege. Krähenbühl versichert: «Eine Investition durch Darlehen in die Bildungsarbeit auf dem Chrischona-Campus ist eine gute und sichere Investition ins Reich Gottes.»

Erfreuliche Entwicklung am tsc

Die Ausbildung am Theologischen Seminar ist nur dank Spenden möglich. Die Studiengebühren der Studentinnen und Studenten reichen nicht aus. Dabei ist die Entwicklung des tsc erfreulich. Anfang September haben mehr als 50 neue Studentinnen und Studenten ein Studium oder eine Weiterbildung begonnen. Damit steigt aber eben auch der Finanzbedarf des tsc.

Die Fragen sind zahlreich: Wie muss der Chrischona-Campus umgestaltet werden, damit sich das Theologische Seminar rechtlich eigenständig etablieren kann? Welche Massnahmen braucht es, um die Bildungsarbeit mit einem gesunden Finanzhaushalt auszustatten? Wie kann sich die bisherige Verbandsarbeit zu einem Netzwerk mit neuen Partnern und dem tsc als Brennpunkt entwickeln?

Findet St. Chrischona genügend Unterstützung?

Komitee-Präsident Rudin und Chrischona-Direktor Winkler sind sich bewusst: Vor ihnen liegt eine herausfordernde Zeit. Die Richtung ist vorgegeben. Jetzt braucht Chrischona Wegbegleiter: Beter und Investoren. Nur wenn genügend Menschen, Gemeinden, Unternehmen, Stiftungen und Werke sich investieren, kann die Neuausrichtung des Komitees das Theologische Seminar langfristig stärken.

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Datum: 22.10.2017
Autor: Rolf Höneisen
Quelle: idea Schweiz

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