«Vergib unseren Vorfahren»
Bussfeier zu Judenpogrom auf der Kyburg
Leiter von Kirchen und Werken aus Winterthur und Umgebung baten an einer Buss- und Gedenkfeier um Vergebung für die gewaltsame Stürmung der Kyburg im Jahr 1349, bei der über 300 Juden verbrannt wurden. Eingebettet war der Anlass in ein Israelseminar der Stiftung Schleife.330 Juden aus Winterthur und Umgebung hatten 1349 auf der Kyburg Schutz gesucht. Auf Drängen der Bevölkerung wurden sie jedoch grausam verbrannt.
Am Samstag, 16. September 2017, taten rund 30 Verantwortungsträger aus christlichen Gemeinden und Werken der Stadt und Region Winterthur Busse für diese Blutschuld aus dem Mittelalter. Der Anlass auf der Kyburg war von der Evangelischen Allianz und der Stiftung Schleife initiiert worden. Verschiedene Christen hatten im Vorfeld darauf hingewirkt. «Bitte vergib uns und unseren Vorfahren diese Schuld», war eine Bitte der Versammelten.
Juden vergeben Christen
Drei Personen mit jüdischen Wurzeln nahmen das Schuldbekenntnis entgegen und sprachen den Anwesenden Vergebung zu. Mit einer christlich-jüdischen Abendmahlsfeier wurde das Bekenntnis besiegelt. Benjamin Berger aus Jerusalem war sehr bewegt, dabei zu sein: «Ich vergebe und Gott vergibt. Und ich glaube, dass der Fluch gebrochen ist.» Viele der Anwesenden teilten diese Wahrnehmung und bekräftigten in kurzen Wortmeldungen ihre Freude über die Vergebung und ihre Freundschaft mit den Juden.Holocaust
Benjamin Berger war einer der Referenten im Israelseminar der Stiftung Schleife vom Freitag und Samstag. Dort erzählte er von seinem Weg der Versöhnung. Seine Vorfahren hatten durch den Holocaust viel Leid erlebt, das sich in der Familiengeschichte niederschlug. Als sich der Jude dem christlichen Glauben zuwendete, begann ein langer Weg der Versöhnung mit deutschen, österreichischen und Schweizer Christen. Benjamin Berger setzt sich auch heute für ein Miteinander von Christen und Juden ein.
Decke des Schweigens
Neben Berger sprach auch Jobst Bittner aus Deutschland zu den Seminarteilnehmern. Er rief dazu auf, sich dem weltweit aufbrechenden Antisemitismus entgegen zu stellen. Die «Decke des Schweigens» müsse mit Wahrheit durchbrochen werden. Denn das Schweigen halte die Finsternis fest. Es sei nötig, sich an die Seite der Juden und Israels zu stellen. Zudem wies er auf die Wichtigkeit der Busse hin. Seiner Erfahrung nach gibt es in vielen Familien Erblasten – Schuld aus der Vergangenheit, die vor Gott gebracht werden muss. So, wie es beim Versönungsanlass auf der Kyburg geschehen war.
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Autor: Florian Wüthrich / Jonas Munz
Quelle: Livenet / Stiftung Schleife