Erstmals in der Minderheit
Stuttgarts Christen wollen aktiver auf Menschen zugehen
Stuttgart gilt immer noch als etwas Besonderes auf der Gemeinde-Landkarte Deutschlands. Die Landeshauptstadt Baden-Württembergs kann auf eine jahrhundertelange pietistische Prägung zurückschauen. Doch das Stichwort «zurückschauen» scheint es auf den Punkt zu bringen: Erstmals befinden sich die Mitglieder der grossen Kirchen in Stuttgart in der Minderheit.
Kontinuierliche Abwärtsentwicklung der Grosskirchen
Konkret verkündete das Statistische Amt der Stadt, dass 2015 von den 602'300 Einwohnern Stuttgarts rund 152.300 evangelisch waren (25,3 Prozent) und 142'400 katholisch (23,5 Prozent). Besonders die Zahl der Christen in den evangelischen Landeskirchen sinkt damit kontinuierlich. 1975 machten sie allein ungefähr 49 Prozent der Bevölkerung aus. In den 1950er-Jahren sogar um die 70 Prozent. Inzwischen sinkt die Zahl der Protestanten um mehr als 1 Prozent jährlich. Laut Nachrichtenmagazin Idea unterstrich Ansgar Schmitz-Veltin vom Statistischen Amt der Stadt Stuttgart: «Während die Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch weitgehend als 'evangelische' Stadt wahrgenommen wurde, ist sie heute eine 'Stadt der religiösen Vielfalt'.» Allerdings lässt sich dieser Mitgliederschwund nicht nur mit einem Zuzug von Muslimen (heute ca. 60'000), orthodoxen Migranten (ca. 31'000) oder Freikirchlern (ca. 5'000) in der Stadt erklären.
Unterschiedliche Bewertung – Ideen zum Handeln
«Man kann sich auch als Christ fühlen, ohne Mitglied in der Kirche zu sein», behauptet die «Stuttgarter Zeitung». Doch relativierende Äusserungen wie diese werden der Mitgliederentwicklung in der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt nicht gerecht. Denn im Umkehrschluss kann man natürlich auch noch Mitglied einer Kirche sein, ohne sich als Christ zu bezeichnen … Wie man die Zahlen bewertet, hängt sehr stark von der eigenen Haltung zur kirchlichen Situation ab. Und die meisten Kirchenverantwortlichen schauen eher zuversichtlich in die Zukunft. Stuttgarts Prälat Ulrich Mack hält laut Idea die «evangelische Kirche in Stuttgart … [für] gut aufgestellt». Sie folge zwar dem Trend anderer Grossstädte, versinke aber keinesfalls «in der gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit». Dafür setze sie zu starke Akzente im Gemeindeleben, im Bildungsbereich oder durch das Bibelmuseum «Bibliorama» in der Stuttgarter Stadtmitte. Auch der evangelische Stadtdekan Søren Schwesig geht den Mitgliederrückgang aktiv an. Für ihn ist es klar: «Religion ist in Stuttgart nicht auf dem Rückzug» (Stuttgarter Zeitung). Um der Entfremdung von Menschen gegenüber der Institution Kirche vorzubeugen, plant er eine aktive Kontaktaufnahme, zum Beispiel durch Begrüssungsbriefe für neu Zugezogene oder Glückwunschschreiben zum Geburtstag. Bereits bei seinem Amtsantritt vor zwei Jahren brachte er missionarische Ideen wie die Buchverschenkaktion «Neu anfangen» ins Gespräch, mit der er an seiner vorigen Wirkungsstätte gute Erfahrungen gesammelt hatte. Der «Stuttgarter Zeitung» sagte er damals: «Unsere Grundaufgabe ist, das Evangelium weiterzugeben. Das geschieht in unserer traditionellen Gemeindearbeit. Ich glaube aber, dass wir darüber hinaus auch neu nachdenken sollten, wie wir mit Menschen ins Gespräch über das Evangelium kommen können. Das ist der Gedanke einer missionarischen Kirche, die nicht wartet, bis die Leute zu ihr kommen.»Zum Thema:
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet