Dr. Schirrmacher an ICF Conference
«Einige werden wohl ihre muslimischen Nachbarn einladen»
ICF betrat mit der Einladung von Professor Dr. Thomas Schirrmacher an die jährliche Konferenz im Hallenstadion Neuland. Erstmals wurde in diesem Rahmen der Umgang mit der verfolgten Kirche und mit dem Islam thematisiert. An der ICF Conference zum Thema «Moving Forward» am 14. und 15. Mai nahmen rund 4'300 Christen teil.
Abgesehen vom Auftritt des bekannten Menschenrechtlers und internationalen Brückenbauers Thomas Schirrmacher bot die ICF Conference 2015 im Hallenstadion den erwarteten Mix aus spektakulären Showelementen, authentischen Lebensberichten und unterhaltsamen Predigten von internationalen Referenten wie Mike Pilavachi oder Priscilla Shirer.«Moving Forward» lautete das Motto der diesjährigen Konferenz, die nach offiziellen Angaben des Veranstalters von 4'374 Christen besucht wurde.
Etwas überraschend wagte sich die freikirchliche Bewegung im «Lunchtalk» am Freitagmittag an das Thema «Islam» heran. Moderiert wurde der «Lunchtalk» von Tobias Teichen (Pastor ICF München), und er trug den Titel «Die verfolgte Kirche – ein konstruktiver Umgang mit dem Islam. Als Interviewgast war der bekannte deutsche Theologe und Buchautor Professor Dr. Thomas Schirrmacher eingeladen.
«Als ob jeder Muslim eine Handgranate in der Hosentasche hätte»
Schirrmacher nutzte die Gelegenheit einerseits, um Begriffe wie Fundamentalismus und religiösen Nationalismus zu klären. Ersteres sei «ein Wahrheitsanspruch mit der Überzeugung, diesen auch gewaltsam durchsetzen zu müssen». Dieser nehme sowohl im Islam als auch im Hinduismus, zum Beispiel in Indien, zu.
Der religiöse Nationalismus sei ebenfalls ein gefährliches Phänomen, weil er die Religion dafür missbrauche, eine gemeinsame Identität zu stiften. Ein grosser Teil der muslimischen Bevölkerung sei demokratiekompatibel, glaubt Schirrmacher. Gefährlich seien nur muslimische Bewegungen, die nach der Scharia leben und Mohammed eine zentrale Rolle beimessen.
Im zweiten des «Lunchtalks» lenkte Tobias Teichen das Gespräch auf den Islam und wie die Christen in der Schweiz und Deutschland damit umgehen sollen. Schirrmacher machte deutlich, dass Islam nicht überall das gleiche bedeute. «Zu sagen, ich weiss, wie Muslime ticken, ist etwa dasselbe wie zu behaupten, ich weiss, wie Christen ticken.» Als Beispiel nannte er Indonesien, ein muslimisches Land, das in Frieden mit der christlichen Bevölkerung lebt. Bei uns würden Muslime oft gemieden, weil man alles Schlechte, was auf der Welt im Namen des Islams geschieht, in sie projiziere. Damit hat Thomas Schirrmacher Mühe: «Wann hat ein Christ in Deutschland oder der Schweiz zuletzt mit einem Muslim über den Glauben an Jesus gesprochen und dafür eine Ohrfeige gekriegt?» Im anschliessenden Gespräch mit Livenet spitzte er die Aussage noch etwas zu: «Es ist erstaunlich, wie gross die Hemmungen sind. So als ob jeder Muslim eine Handgranate in der Hosentasche hätte.»Gastfreundschaft als Schlüssel zu den Herzen
Statt Ängste zu schüren, sollten Christen lieber mit den Muslimen sprechen, forderte Schirrmacher die Besucher der ICF Conference heraus. «Das ist sehr einfach», versicherte er. «Muslime sprechen sehr gerne über die Themen Familie und Gott.» Umfragen bei Leuten mit Migrationshintergrund in Deutschland hätten zudem ergeben, dass diese Menschen vor allem einen Wunsch an die einheimische Bevölkerung haben: «Sie möchten gerne einmal von einem Deutschen eingeladen werden.» Das Problem sei nur, dass ein Deutscher erst im Wörterbuch nachschlagen müsse, was Gastfreundschaft überhaupt bedeutet.
Man müsse nichts über den Islam wissen, um jemanden einzuladen. «Muslime reden gerne über ihren Glauben. Das einzige, was man tun muss, ist Fragen stellen», so Schirrmacher. Er erklärte auch, wieso eine Einladung den Migranten so viel bedeutet. «Bei vielen Kulturen markiert der Besuch zu Hause den Beginn einer Beziehung. Bei uns ist es aber oft der letzte Schritt, nachdem die Beziehung schon über längere Zeit aufgebaut wurde.»
Der Veränderungskraft des Evangeliums vertrauen
Ihm werde oft vorgeworfen, dass er den Islam schönrede und die Gefahren ausblende, sagte Thomas Schirrmacher gegenüber Livenet. Vor allem bei älterem Publikum in traditionellen Gemeinden sei es «vergebliche Liebesmühe», wenn er dazu ermutige, Muslime anzusprechen und mit ihnen über den Glauben zu sprechen.Mit Abschotten und Verboten wie zum Beispiel dem Minarettverbot gewinnt man nach Meinung des Theologen jedoch niemanden. Die zentrale Frage sei am Ende, welche Überzeugungskraft man dem Evangelium beimisst. «Ich glaube, dass die Botschaft von Jesus die Kraft hat, auch Muslime zu überzeugen.»
Für seinen Auftritt im ICF ist Schirrmacher denn auch dankbar. Er ist überzeugt, dass hier junge Leute waren, die etwas umsetzen werden. «Einige werden wohl ihre muslimischen Nachbarn mal zum Essen einladen. Und einige werden für verfolgte Christen beten.» Wenn dies geschieht, hat sich für Thomas Schirrmacher der Besuch am Grossanlass gelohnt.
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Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet