Grossbritannien
Ist Umweltbewusstsein auch Religion?
Ein britischer Ökoaktivist schreibt Rechtsgeschichte: Seinen Glauben an den Klimawandel setzt ein Gericht mit Religiosität gleich. Christlichen Gruppen regen sich über dieses Urteil auf. Die Entscheidung des Richters ist für sie ein empörender Beleg für Grossbritanniens Aufgabe seines christlichen Erbes.
Laut einem Bericht der "Financial Times Deutschland" tut Tim Nicholson besonders viel für den Umweltschutz. Im Kampf gegen den Klimakollaps habe der Familienvater aus Oxford sein Haus saniert, er verzichte auf Flugreisen und lebe auch sonst streng ökologisch. Als Nachhaltigkeitsbeauftragter bei Grossbritanniens grösstem Immobilienkonzern Grainger habe er ein ähnliches Engagement an den Tag gelegt und trotzdem seinen Job verloren.Diskriminierung des grünen Glaubens
Mit seiner Klage gegen die Entlassung ist der 42-Jährige nun dabei, ein Stück Rechtsgeschichte zu schreiben. Denn den Rausschmiss sieht er als Diskriminierung seines grünen Glaubens - und die Justiz bestärkt ihn darin. Das Berufungsgericht hat eine Klage auf der Grundlage des Nichtdiskriminierungsgesetzes von 2003 für zulässig erklärt."Wenn jemand überzeugend seine philosophische Anschauung darlegen kann, sei es auf wissenschaftlicher oder religiöser Basis, so gibt es keinen Grund, diese abzutun", sagte der Richter Michael Burton. Die Argumentation des Grainger-Konzerns, dabei handele es sich doch bloss um eine politische Sichtweise, wies er zurück. Nicholson selbst sagt, er sei froh, dass der Richter verstanden habe, dass eine tiefe Überzeugung vom Klimawandel philosophischer Natur und damit schützenswert sei.
Die Entscheidung über die Kündigung steht zwar noch aus. Aber unabhängig davon hat Nicholsons bislang einzigartiger Fall weitreichende Folgen: Angestellte mit ausgeprägtem Umweltbewusstsein werden durch die Entscheidung rechtlich mit Muslimen, Juden oder Christen gleichgesetzt. "Wegweisend" nennt das die Zeitung "Independent", eine "Dummheit" der "Guardian".
Experten befürchten als Folge eine Klagewelle von Tausenden Mitarbeitern, die sich in ihrem Umweltbewusstsein verletzt sehen, weil ihre Firma den Müll nicht anständig trennt oder das Management zu häufig mit dem Flugzeug unterwegs ist.
Christen unzufrieden
Für die meiste Aufregung sorgt der Fall indes bei christlichen Gruppen. Die Entscheidung des Richters ist für sie ein empörender Beleg für Grossbritanniens Aufgabe seines christlichen Erbes. Sie verweisen auf Klagen wie die der Flughafenarbeiterin Nadia Eweida, die sich - bislang erfolglos - gegen das Verbot von British Airways wehrt, am Arbeitsplatz eine Kette mit einem Kreuz um den Hals zu tragen.Nicholson hingegen freut sich über seinen juristischen Zwischenerfolg. Und über einen neuen Job bei einer medizinischen Hilfsorganisation, die sich natürlich ökologischen Prinzipien verschrieben hat.
Quelle: Independent/Guardian/Financial Times Deutschland