Vernetzt – einsam – unerreicht
Wie Gemeinde die Generation Z erreichen kann
Kirchen und Gemeinden tun sich nicht besonders leicht damit, Menschen zu erreichen, für den Glauben zu interessieren, zu gewinnen und dann auch zu halten. Und je jünger die Zielgruppe ist, desto schwerer scheint es zu sein. «Da muss man eben eine Beziehung zu den jungen Leuten aufbauen», klingt wie ein gangbarer Weg. Nur wie?
Dan Colwin ist Leiter einer kirchlichen US-Jugendarbeit, die ihre Schwerpunkte auf Jüngerschaft und Leiterentwicklung legt. Im Magazin «Christianity Today» hat er seine Erfahrungen und Einsichten zusammengefasst. Diese lassen sich sicher nicht eins zu eins in den europäischen Kontext übertragen, doch die Generation Z (Jugendliche unter 22 Jahren) ist auch hierzulande eine echte Herausforderung.
Epidemie der Einsamkeit
Früher wurde bei Jugendveranstaltungen Mau-Mau oder Uno gespielt – heute sitzen die Teens zusammen und checken am Handy die Likes, die sie bei Snapchat oder Instagram bekommen. Mit dieser Beobachtung bzw. diesem Klischee steigt Colwin ein und erklärt: «Während Schüler super vernetzt sind und weltweit Gemeinschaft über die sozialen Medien pflegen, reicht diese oft nicht tiefer als der Bildschirm.»
Eine US-Studie spricht in diesem Zusammenhang von einer «Epidemie der Einsamkeit». Der Ulmer Psychiater Manfred Spitzer kommt in seinem Buch «Einsamkeit, die unerkannte Krankheit» zu ähnlichen Ergebnissen. Auch er spricht von höherem Krankheitsrisiko, der Schwierigkeit, das Phänomen Einsamkeit zu greifen und gleichzeitig ihrer epidemieartigen Ausbreitung. Scheinbar liegt hier die Frage nahe, wie Kirchen und Gemeinden eine beziehungsorientierte Jugendarbeit aufbauen können. Colwin behauptet jedoch, dass diese Frage in die falsche Richtung gehe.
Beziehungsorientiert ist nicht genug
Häufig kommen in Rezepten und Ideen für Jugendarbeit folgende Begriffe vor: gemeinsam abhängen, Zeit verbringen, einen Raum schaffen, der ihr eigener ist. Daran ist nichts verkehrt, doch wie tief gehen diese Beziehungen? Wer ein paar Jugendliche einlädt, gemeinsam an einer Konsole zu sielen, der erntet Zustimmung – aber nicht unbedingt Jünger. Colwin denkt an seine eigene Jugend zurück, wo viele seiner Altersgenossen sich im Rahmen der Kirche sozial engagierten. Inzwischen engagieren sich viele nur noch dort, denn dies funktioniert auch ohne frommen Überbau.
Was beim gemeinsamen Abhängen schnell zu kurz kommen kann, ist das, was die Bibel im 5. Buch Mose, Kapitel 6, Verse 4-9 so zusammenfasst: «Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein! Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du auf dem Herzen tragen, und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt oder auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst; und du sollst sie zum Zeichen auf deine Hand binden, und sie sollen dir zum Erinnerungszeichen über den Augen sein; und du sollst sie auf die Pfosten deines Hauses und an deine Tore schreiben.»
Zielgerichtete Jüngerschaft
Was hilft an dieser Stelle weiter? Colwin favorisiert zielgerichtete Jüngerschaft, also planvolle Treffen mit jungen Menschen, um ihnen in ihrer geistlichen Entwicklung zu helfen. Als Beispiel erzählt Colwin von einem Zweitsemester, den er begleitet und sich regelmässig mit ihm trifft. Dabei bespricht er diese Fragen mit ihm – neben Smalltalk, netter Gemeinschaft und einer Tasse Kaffee: Was ist das Beste, was dir seit unserem letzten Treffen passiert ist? Und was ist das Schlimmste? Wo bist du ein Risiko eingegangen? Was ist eine Sache, die du getan hast, um jemand anderem zu dienen? Die Idee dabei ist, dass das Evangelium in dem jungen Menschen Gestalt annimmt, dass neben allem natürlichen Miteinander immer wieder eine Ebene erreicht wird, wo sie wirklich ihr Innerstes voreinander ausbreiten.
Generation Z im Fokus
Die junge Generation hat ihre besonderen Herausforderungen. So wie jede andere Generation vor ihr möchte sie sich von ihren Vorgängern abgrenzen. Sie ist offen für gute Programme, zeitgemässe Musik, ansprechende Botschaften, Freundschaft und vieles andere. Wer junge Menschen nun für den Glauben gewinnen und ihnen darin voran helfen möchte, kann nicht unbedingt davon ausgehen: «Das war früher für mich gut – also kann es auch heute nicht schaden».
Dan Colwin beendet seinen Blick auf Jugendliche nicht mit einem Sieben-Schritte-Plan. Stattdessen ermutigt er Verantwortliche für Jugendarbeit dazu, mehr in ehrenamtliche Helfer zu investieren, statt in Beziehungsarbeit. Und diese sollen dann die jungen Menschen Schritt für Schritt als Jünger begleiten. Damit hat Colwin zwar kein neues Konzept vorgestellt, aber ein biblisches, das bereits Paulus so ähnlich vorstellte: «Und was du von mir gehört hast vor vielen Zeugen, das vertraue treuen Menschen an, die fähig sein werden, auch andere zu lehren» (2. Timotheus, Kapitel 2, Vers 2).
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Christianity Today