Von vielen Seiten kritisiert
Belgien: Erstmals aktive Sterbehilfe für Minderjährigen
Belgien hat seit 2014 die weltweit liberalste Euthanasie-Regelung. Kinder jeden Alters können dort aktive Sterbehilfe erhalten. Nun ist das Gesetz erstmals zur Anwendung gekommen: An einem Jugendlichen, der an einer unheilbaren Krankheit im Endstadium litt.
«Zum Glück gibt es nur sehr wenige Kinder, für die Sterbehilfe infrage kommt», sagte Wim Distelmans. «Aber das bedeutet nicht, dass wir diesen Kindern das Recht auf einen würdevollen Tod verweigern sollten.» Weitere Details zu dem Fall nannte er nicht.
Einziges Land weltweit
Die Niederlande und Belgien hatten 2002 als erste Länder weltweit aktive Sterbehilfe legalisiert. Luxemburg folgte 2009. Das belgische Parlament hatte dann 2014 die Altersbeschränkung für Sterbehilfe aufgehoben (Livenet berichtete). Es ist seither das einzige Land weltweit, das für Kinder jeden Alters aktive Sterbehilfe erlaubt.
Eine Vertreterin der belgischen Euthanasie-Evaluationskommission betonte, das Bewilligungsverfahren bei Kindern und Jugendlichen sei sehr lang und rigide. Seit 2014 sei in weiteren Fällen Sterbehilfe für Minderjährige beantragt worden, doch sei bisher nur diese eine Genehmigung erteilt worden.
Erwachsene können in Belgien auch wegen «psychischer Leiden» Sterbehilfe in Anspruch nehmen, aber einem Kind darf nur ein tödliches Medikament verabreicht werden, wenn es an einer unheilbaren Krankheit sowie an Schmerzen leidet, die nicht medikamentös gelindert werden können. Ausserdem muss ein Psychologe bezeugen, dass das Kind urteilsfähig und in der Lage ist, den Entschluss zum Sterben zu fassen. Auch müssen die Eltern ihre Zustimmung geben.
Kritik aus dem Vatikan und von vielen Seiten
Der Fall stiess auf internationales Medienecho – und auf Kritik von Patientenvertretern und dem Vatikan. Laut Radio Vatikan erklärte Kardinal Elio Sgreccia, die Entscheidung wende sich gegen die Empfindungen aller Religionen und gegen den menschlichen Instinkt. «Denn vor allem verletzlichen Minderjährigen muss mit Medikamenten und mit moralischem, psychologischem und spirituellem Beistand geholfen werden», sagte der italienische Kardinal und Bioethiker.
Die Einführung des Gesetzes war seinerzeit auf heftige Kritik von vielen Seiten gestossen. Es entstehe ein gesellschaftlicher Druck, sich schwerkranker Kinder zu entledigen, hiess es. Sehr heikel ist auch die Frage, wie urteilsfähig sterbewillige Kinder wirklich sind. Die Gegner des Gesetzes kommen im belgischen Parlament vor allem aus den Reihen der Christlichdemokraten beider Landesteile; sie erklärten in der Debatte denn auch, das Gesetz führe zu vielen ethischen wie auch rechtlichen Problemen.
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet