Die Welt gegen Barnevernet

Tausende protestieren gegen «Kinderschutz-Kidnapping» in Norwegen

Tausende von Menschen werden in diesem Monat friedlich vor norwegische Botschaften in vielen Ländern protestieren. Sie fordern die norwegische Regierung auf, fünf Kinder zurückzugeben, die im November letzten Jahres ohne vorherige Warnung ihren Eltern weggenommen wurden. Der Fall zieht Kreise und wirft ein Licht auf die unzimperlichen Methoden der norwegischen Kinderschutzbehörde Barnevernet.

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Proteste gegen die norwegische Kinderschutzbehörde
Die drei Söhne und zwei Töchter der Familie Bodnariu waren am 16. November z.T. direkt aus der Schule in Obhut genommen worden, nachdem eine Lehrerin Bedenken ausgedrückt hatte, dass den Kindern daheim beigebracht würde, dass «Gott Sünden bestraft». Ohne Prüfung der Familie und ohne Gerichtsurteil wurden die Kinder in drei verschiedenen Pflegefamilien untergebracht, und erste Schritte wurden unternommen, sie zur Adoption freizugeben (Livenet berichtete).

Offenbar konstruierte «Barnevernet» erst später den Verdacht auf körperliche Misshandlung, da eine religiöse Begründung für einen Entzug des Sorgerechts allein nicht ausreicht.

Mittlerweile darf der Vater Marius Bodnariu weder seine beiden Söhne noch seine beiden Töchter sehen, lediglich das Baby für kurze Momente. Die Mutter darf ihre Töchter ebenfalls nicht sehen, und die Begegnungen mit ihren Söhnen sind auf ein paar Stunden pro Monat reduziert und finden unter strikter Überwachung statt. Die älteste Tochter hat einen Brief geschrieben, in dem sie klar ausdrückt, dass sie ihre Eltern und Geschwister vermisst. Die Geschwister leben bei drei verschiedenen Pflegefamilien an geheimen Adressen, die nicht einmal die rumänische Botschaft kennt.

70'000 Kinder im System

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Wurden die Kinder der Familie Bodnariu zur Adoption freigegeben?
In Norwegen werden Kinderrechte hochgehalten. 1992 wurde die Kinderschutzbehörde professionalisiert, und nicht mehr Laien aus den Gemeinden kümmern sich um Problemfälle, sondern Psychologen und Sozialarbeiterinnen, die mehr Macht erhalten haben. Man will verhindern, dass Kinder vernachlässigt und missbraucht werden, und die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, rasch zu handeln, wenn sie von solchen Fällen hört. Jedermann im Lande ist angehalten, der Behörde zu melden, wenn er in einer Familie Vernachlässigung oder Missbrauch vermutet. Betroffene Familien kritisieren, «es reiche schon, dass ein Nachbar einen denunziere, und schon habe man Sozialarbeiterinnen im Haus».

Der norwegische Anwalt der Familie und Menschenrechts-Aktivist Marius Reikerås berichtet, dass mittlerweile etwa 70'000 Kinder unter der Obhut des Barnevernet-Systems sind, das wären 7 Prozent aller Kinder unter 18 Jahren in Norwegen. Nach offiziellen Angaben sind es lediglich 4 Prozent, von denen wiederum 60 Prozent daheim betreut werden. Die Angaben gehen also auseinander.

«Ich habe so viele Fälle gesehen, und es ist immer das gleiche Muster: völlig normale Familien bekommen irgendwie Probleme mit dem Barnevernet, und in jedem derartigen Fall werden fundamentale Menschenrechte verletzt», erklärt Reikerås. Die norwegische Regierung ist wegen dieses Vorgehens bereits vom Europäischen Menschenrechtshof in Strassburg gerügt worden.

«Tyrannei der Wohlmeinenden»

Bereits anfangs 2015 hatte die Weltwoche in einem Artikel auf die rüde Praxis der norwegischen Kinderschutzbehörde aufmerksam gemacht: «Sie fackelt nicht lange, wenn Eltern ihren Nachwuchs falsch erziehen. Sie bringt die Kinder in Pflegefamilien unter und verweigert Vater und Mutter jeglichen Kontakt. Oft trifft es Ausländer, die sich nicht an die teils abstrusen nordischen Erziehungsregeln halten.» So wurde einem indischen Geowissenschaftler und seiner Frau ihre beiden Kinder im Alter von einem und drei Jahren weggenommen. «Als Gründe wurden angegeben: die Kinder schliefen im Bett der Eltern (was in Norwegen nicht geht), würden von Hand gefüttert (was in Indien üblich ist) und hätten zu wenig Spielsachen. Die junge Mutter war schon früher gemahnt worden, sie müsse zu vorgegebenen Zeiten stillen. Sie aber stillte das Baby, wenn es schrie», so Daniela Niederberger in der Weltwoche.

Überdurchschnittlich oft sind Ausländer vom Eingreifen durch Barnevernet betroffen, vor allem viele Polen (die grösste Immigrantengruppe in Norwegen), Russen, Rumänen, Tschechen und Familien aus anderen Nationalitäten, in denen oft andere Erziehungsvorstellungen herrschen als in Norwegen. «Im vielgerühmten Modellstaat Norwegen herrschen glasklare Vorstellungen darüber, was richtige und was falsche Erziehung ist», erklärt die Weltwoche. «Körperstrafen sind schon lange verboten und werden mit sexuellem Missbrauch in Verbindung gebracht, während in vielen Kulturen leichte Körperstrafen an der Tagesordnung sind und eine Ohrfeige als nicht so schlimm gilt. Eine tamilische Familie kritisierte, auch intensive Zuneigung werde als sexueller Missbrauch interpretiert.»

Weitere Vorwürfe und Hinweise auf «rigide» bzw. «strikte Regeln», nach denen Kinder nicht im Bett der Eltern schlafen dürfen, Süssigkeiten nur am Wochenende erlaubt seien oder Stillen zu bestimmten Zeiten stattzufinden habe, liessen sich nach Rückfrage bei norwegischen Journalisten nicht erhärten. 

Wer profitiert?

Die Frage liegt auf der Hand, wer alles davon profitiert, dass so viele Kinder in Pflegefamilien landen, und warum die Regierung verstärkt um neue Pflegefamilien wirbt. Bereits die Weltwoche gibt Zahlen: «(Die Pflegefamilien) erhalten … 430 000 Kronen (knapp 50 000 Euro) im Jahr pro Pflegekind, dazu kommen Spesen und schöne Extras wie Ferien am Mittelmeer». Interessant, was Marius Reikerås - Anwalt der Familie Bodnariu - letzte Woche dazu sagte: «Ich glaube nicht, dass irgendein Land auf der Welt so einen hohen Prozentsatz von Kindern unter der Obhut der Sozialbehörden hat. Im letzten Jahr hat die Regierung Gas gegeben und für viele neue Pflegefamilien zur Platzierung von Kindern Werbung gemacht. Eine Pflegefamilie zu sein, ist in Norwegen sehr lukrativ: man kann 10-14.000 Dollar pro Monat damit verdienen. Es wird dermassen viel Geld in dieses System gesteckt – wir reden von Milliarden in einem kleinen Land. Dazu kommt, dass eine Menge von Personen von diesem System profitieren: Anwälte, Sozialarbeiter, Psychologen, Richter, Pflegeeltern – so hält man die Leute beschäftigt.» 

Druck von aussen wirkt

Die norwegische Familienministerin Solveig Horne hat bereits im Juni letzten Jahres zu den Anschuldigungen gegen Barnevernet aus vielen Ländern, aber auch zunehmend aus Norwegen selbst, Stellung genommen. Unter anderem setzte sie eine Untersuchungskommission ein. «Barnevernet ist eine Einrichtung, über die in den Medien positiv und negativ berichtet wird», hielt die Ministerin fest. «Kinder haben mir gesagt, dass Barnevernet zu spät in ihr Haus kam, andere zu früh. Wir haben Probleme mit Barnevernet. Es ist ein kompliziertes Bild, aber die Arbeit von Barnevernet sucht immer das Beste für das Kind.»

Anwalt Marius Reikerås allerdings ist überzeugt, dass der grosse internationale Druck Norwegen schlussendlich dazu bringen wird, sein System zu ändern. Das Land ist zum ersten Mal seit vielen Jahren in einer Rezession und braucht gesunde Beziehungen zu seinen Nachbarländern. Pfarrer Christian Ionescu, Vizepräsident der Vereinigung der rumänischen Pfingstgemeinden in den USA und Kanada organisierte die Proteste in Washington und anderen Städten; er kündigt für die nächsten Wochen weitere Proteste an und hält fest: «Vielleicht haben sie nicht gedacht, dass so viele Freunde auf der ganzen Welt die Familie Bodnariu unterstützen würden, aber das ist jetzt so … Es wird eine Zeit kommen, wo es Norwegen mehr wehtun wird, wenn sie die Kinder behalten, denn das Image des Landes wird grossen Schaden nehmen. Wenn sie ihr Land lieben, können sie solche Missbräuche nicht weitergehen lassen.»

Informationen des Menschenrechtsanwalts Marius Reikerås (engl.)  

Zur Webseite:
Homepage der Bodnariu-Familie
Support-Gruppe für Familie Bodnariu auf Facebook

Zum Thema:
Wegen «Indoktrinierung» – Norwegen: Wollen Behörden christliche Kinder zur Adoption freigeben?
Menschenrechte – Britische Christen klagen in Strassburg wegen Diskriminierung
Säkular und intolerant – Christen in Europa zunehmend diskriminiert

Datum: 22.01.2016
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet.ch / Christian Post / Weltwoche

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