Ursache und Wirkung
Ganzheitliche Heilung
Sünde, Schwachheit und Krankheit, diese Begriffe gehen im neuen Testament ineinander über. Damit wird bereits angedeutet, was die Medizin heute als psychosomatische Krankheit bezeichnet. Die Verbindungen zwischen Krankheit, Schwachheit und Sünde sind so vielschichtig, dass man Ursache und Wirkung oft nicht voneinander unterscheiden kann. Man sollte deshalb von einem umfassenden Krankheitsbegriff ausgehen.
Manche Krankheiten kann man dem Körper zuordnen, andere der Seele, wieder andere erscheinen als Beziehungsstörungen, andere hängen mit gesellschaftlichen Verhältnissen zusammen – manche haben ihre eigentliche Wurzel in einem gestörten Verhältnis zu Gott. Die Heilung kann also ganz unterschiedliche Ansatzpunkte haben. Auch wenn es sich um konkrete Krankheiten handelt, richtet sich die Heilung immer auf die ganze Person. Die Krankheit selbst ist dabei meist nur die Spitze eines Eisbergs. So können auch Heil und Heilung nicht vollständig voneinander getrennt werden.
Oft erlebt man einen Schritt zur Gesundung seiner ganzen Person, wenn man eine konkrete Krankheit, die einem bestimmten Organ zugeordnet ist, überstanden hat. Es ist also nicht entscheidend, wo Heilung ansetzt, sondern, dass sie eine tiefe, ganzheitliche Wirkung hat.
Gott handelt wie er will
Wer auf Heilung hofft, wer um sie betet und wer sie erwartet, sollte nicht versuchen, Gott vorzuschreiben, wie er handeln soll. Er könnte sonst das, was Gott tut, völlig übersehen und sich an Bitten festbeissen, die Gott nicht erhören will. Denn Gott reagiert sehr individuell, sehr liebevoll und einfühlsam auf unsere Anliegen. Er ist ein guter Vater, der nur gute Gaben gibt, der aber nicht alles gibt, was seine Kinder fordern, denn sonst wäre er kein guter Vater. Es wäre schlimm, wenn Gott alle unsere Bitten erhören würde. So ist es sehr wichtig, dass man ein Bewusstsein von den ganz verschiedenartigen Möglichkeiten des Handelns Gottes bekommt.
Gott und die Bitte um Heilung
Er heilt und gibt damit eine Antwort auf das Gebet von Menschen, die um Heilung gebetet haben, sei dies der Kranke selbst, die Ältesten, sonst jemand, als Antwort auf eine anhaltende Bitte hin oder als Reaktion auf Fasten und Beten eines Freundeskreises.
Gott heilt auch durch das Handeln eines Arztes. Dies ist keine weniger bedeutende Art des göttlichen Heilens, sondern geschieht nur auf einer anderen Ebene. Jede Gesundung ist ein Wunder – gleichgültig, ob sie in einem Augenblick oder durch einen längeren Prozess geschieht, ob sie durch ein Gebet oder durch Medizin in Gang gesetzt wird. Der Arzt ist also nicht dann an der Reihe, wenn das Gebet «nichts genützt» hat.
Gott will heilen, aber er findet niemanden, der Hoffnung auf Heilung hat, der um sie betet oder im Gebet die Arbeit des Arztes unterstützt – oder er findet niemanden, der Lebensumstände schafft, welche die Heilung fördern. Manchmal kann Gott auch nicht heilen, weil man sich auf eine bestimmte Art des göttlichen Eingreifens versteift hat, die Gott nicht gutheisst.
Gott lässt die Krankheit zu, weil er uns dadurch helfen will, indem er einen anderen Bereich unserer Person heilt. Manchmal kann man dadurch auch die ursprüngliche Krankheit überwinden, manchmal verliert sie ihre Wichtigkeit angesichts einer viel tieferen Veränderung, manchmal wird sie in diesen tieferen Prozess integriert. Das «Nicht-heilen» ist dann in Wirklichkeit ein Schritt der Heilung, nur auf für uns unerwartete und «unerbetene» Weise.
Mitleiden
Gott lässt die Krankheit zu, weil er den Kranken durch das Leiden teilhaben lässt an seinem Leiden an der Welt. Paulus gibt diesem Leiden einen doppelten Sinn: «Er tröstet uns in all unserer Not, damit auch wir die Kraft haben, alle zu trösten, die in Not sind, durch den Trost, mit dem auch wir von Gott getröstet werden. Wie uns nämlich die Leiden Christi überreich zuteilgeworden sind, so wird uns durch Christus auch überreicher Trost zuteil.»
In einer moderneren Version: Egal, wie heftig die Probleme auch sind, er ist immer da und ermutigt uns. Dadurch sind wir auch in der Lage, andere zu trösten. Wenn andere Leute Probleme haben, können wir sie so aufbauen, wie Gott uns auch mal aufgebaut hat. Die Bibel, 2. Korinther, Kapitel 1, Vers 4-5).
Die Teilhabe am Leiden Christi bringt einem in eine besondere Beziehung zu Gott, der im Zusammenhang dieses Textes als «Vater des Erbarmens» bezeichnet wird. Dadurch erhält man die Gabe, andere zu trösten. Wer sein Leiden annehmen kann als Anteil am Leiden Christi, trägt insgesamt zur Heilung bei, indem er trösten kann.
Unergründlich
Gott lässt Dinge geschehen, die man beim besten Willen nicht verstehen kann. Man erlebt, dass man selbst oder andere Menschen unter ihrer Krankheit, ihrer Schwachheit oder ihrer Sünde zerbrechen. Das Heil in Christus bringt Heilung. Man darf sie erwarten und im Glauben dafür beten. Aber unsere Definition von Wohlbefinden ist für Gott nicht verbindlich. Seine Wege sind für uns Menschen nicht immer erklärbar. Gott liebt uns, aber er ist in seiner Liebe souverän.
Gott macht den Menschen ein vielfältiges Angebot zum Heil und zur Heilung. Man sollte sich die spontane Erwartung des täglich heilenden Eingreifens Gottes im Alltag nicht nehmen lassen. Nur so können die persönlichen Wege Gottes zu unserer Heilung und zur Heilung unseres Nächsten im Alltag erfahren werden.
Autor: Siegfried Grossmann
Gekürzt und redigiert: Livenet, Antoinette Lüchinger
Quelle: Bausteine/VBG