Baan Nok Kamin, Thailand

Ein Hort für Strassenkinder

Am Anfang stand die Initiative eines einzelnen Christen. Nach einigen Jahren wurde daraus ein Hilfswerk mit Zweigstellen in ganz Thailand. Baan Nok Kamin, "Haus der heimatlosen Vögel", bietet ausgesetzten, verwahrlosten und missbrauchten Kindern in Thailand eine Heimat.

Im Jahr 1982 reiste der inzwischen 46-jährige Erwin Gröbli, Missionar der Überseeischen Missionsgemeinschaft (UemG), nach Thailand. Sein Anliegen: die Mittel- und Oberklasse Bangkoks mit dem Evangelium von Jesus Christus bekannt machen. Aber Gott hatte einen anderen Plan.

Es fing im Kleinen an. Während seines Sprachstudiums an einer der Universitäten in Bangkok bekam Erwin Gröbli Kontakte zu einzelnen Strassenjungen, die er nach und nach in seine Wohnung aufnahm. Drogen, Alkohol, Enttäuschung, Armut, Gefängnis oder Tod führen oft dazu, dass Eltern in Thailand nicht für ihre Kinder sorgen können und wollen. So landen sie auf der Strasse oder werden in der Verwandtschaft hin- und hergeschoben.

Rasante Entwicklung

Es sprach sich unter den Strassenkindern rasch herum, dass man bei Gröbli ein Zuhause findet. Die Kinder brachten ihre Kollegen, und nach und nach kamen immer mehr dazu. Dank privaten Spenden und mit Unterstützung der ÜMG konnte er 1985 das erste Haus mieten und später kaufen. Gröbli gründete während eines Heimaturlaubs in der Schweiz einen Verein zur Unterstützung seines Vorhabens. Ursprünglich bestand dieser aus ein paar Bekannten und Verwandten. Der Kreis weitete sich rasch, die Spendengelder flossen besser, und so konnte man schliesslich weitere Häuser erwerben und Helfer einstellen. Einige interessierte Studenten, die damals Jungen betreuten, sind heute hauptamtliche Mitarbeiter.

1991 kam Irene als seine Assistentin nach Thailand. Sie heirateten und betreuten über die Jahre selber siebzehn Jungen, gründeten neue Heime und gaben sich ganz Gottes Führung hin. Ihr Werk gedieh.

Nach einigen Jahren in Bangkok zog das Ehepar Gröbli mit einer weiteren einheimischen Familie nach Sukhothai in Zentral-Thailand. Fernab der nächsten Stadt begannen sie dort das Werk "Baan Nok Kamin" aufzubauen, erst mit einer, später dann mit zwei Familien. 1994 kam eine weitere Grossfamilie in Phattalung, Südthailand dazu und eröffnete vor Ort ein Heim. Mit Gottes Führung und dank reichlicher Spenden entstand schliesslich im Norden des Landes, in Wiang Papaw, eine Drogenrehabilitation mit ca. 20-30 Erwachsenen, Männer und Frauen. Damit wollte man auch die Eltern erreichen und wieder eingliedern. Inzwischen lebt und arbeitet im Reha-Zenter eine Familie mit, die dort selber Heilung fand und zum Glauben kam. Seit 2001 gibt es auch ein Haus für missbrauchte Mädchen in Chiang Mai, Nordthailand. Zwölf Mädchen haben so eine neue Heimat gefunden; ein weiterer Ausbau ist geplant.

Gröblis Arbeit beschränkte sich aber nicht nur auf die Führung dieser Heime. Ein grosses Anliegen war ihm auch, "seinen" Kindern Jesus nahezubringen. So bildet er zur Zeit auch Einheimische zu Missionaren aus. Durch die Arbeit mit ehemaligen Strassenjungen und Kindern aus zerbrochenen Familien wurden Nachbarn, Freunde und Verwandte der Mitarbeiter von "Baan Nok Kamin" neugierig. Im Laufe der Zeit nahmen viele Jesus als persönlichen Retter an. Sie wurden Christen und treffen sich seitdem in einer der fünf so entstandenen Gemeinden.

Das Werk ist inzwischen in Thailand sehr bekannt und anerkannt. Zeitungen, Radio und Fernsehen berichteten darüber. Staatliche Richter und Ämter in Thailand haben realisiert, dass dort gute Arbeit geleistet wird, und weisen nun auch direkt Kindern zu.

Lebensgeschichte der beiden Strassenkindern Ot und Tui

"Ot" stammt aus der 10-Millionen-Stadt Bangkok und wuchs im Kinderheim "Majästetische Wolke" auf. Auf dem Lieblingsplatz der Strassenkinder in Bangkok, dem Sanamluang, lernte Ot als Neunjähriger einen vier Jahre älteren Jungen kennen mit dem Namen "Bird". Dieser übernahm die Vaterrolle und sorgte für den schwächlichen Jungen, als dieser das Heim verliess. Ot hat seit Geburt nur einen Lungenflügel und war deshalb sehr dünn und klein.

Bird und Ot erbettelten sich an Strassenkreuzungen zusammen, was sie zum Essen und Leben brauchten. Nachts schliefen sie unter den Brücken der übelriechenden Klong von Bangkok. Die Freundschaft zwischen den beiden Buben war innig. Ab und zu wurden Bird und Ot gefasst und in ein staatliches Kinderheim gesteckt, doch die kleinen Vagabunden rissen immer wieder aus. Ot, der seinen Familiennamen nicht kannte, wählte den gleichen Nachnamen wie Bird, so galten die beiden als Brüder und konnten zusammenbleiben. Einige Richter, die selbst eine Stiftung für Strassenkinder ins Leben gerufen hatten, brachten sie schliesslich ins Baan Nok Kamin nach Sukhothai. Bisher vergeblich versuchte man Ots Eltern und Verwandte ausfindig zu machen.

Im Baan Nok Kamin hörten sie zum ersten Mal von Jesus. Ot gefiel das geborgene Leben im Baan Nok Kamin. Bird aber floh. Viele Monaten gingen ohne Nachricht von ihm dahin. Eines Tages tauchte er wieder auf, inzwischen ein junger erwachsener Mann. Ot blieb im Missionsheim, ging dort zur Schule und wurde ein guter Sänger und Schüler.

Tui stammt aus einer kinderreichen Familie in Nordthailand, dem Armenhaus des Landes. Der Vater war drogensüchtig und schlug die Kinder jeden Tag. Eines Tages verliess ihn die Mutter mit Tui und seinen zwei jüngeren Brüdern. Später heiratete sie wieder, doch ihr neuer Mann war ein Taugenichts. Im Dorf, wo sie wohnten, war das normal. Arbeit gab es eben nur während der Regenzeit, wenn die unzähligen Felder mit Reis bepflanzt wurden. Eines Tages machte sich der Stiefvater mit Tui nach Bangkok auf den Weg. Tui war damals erst fünfjährig. Sein Stiefvater hatte ihn zum Betteln nach Bangkok gebracht. Spätabends tauchte er jeweils auf und nahm Tui das erbettelte Geld ab. Als achtjähriger Junge kam Tui schliesslich ins Haus der Strassenkinder "Baan Nok Kamin". Nach langer Suche konnte man auch das Dorf ermitteln, wo noch die Grosseltern und zwei jüngere Brüder lebten.

Inzwischen ist Tui 15-jährig und gläubiger Christ. Er heisst jetzt nicht mehr Tui, sondern Thawii, was soviel wie "Fortschritt" bedeutet. Noch immer lebt er im Baan Nok Kamin, hat lesen und schreiben gelernt. Vor gut zwei Jahren wurde in Sukhothai mit den Kindern eine Kassette mit Liedern aufgenommen. Die meisten hat Thawii selbst getextet und komponiert. Dann kam die Überraschung: Vor kurzem wurden Thawii und Ot in die Schweiz eingeladen, um im bekannten Adonia-Chor mitzusingen. Fieberhaft übten die beiden sechzehn Mundart-Lieder für ein schweizerdeutsches Musical ein und begeisterten damit alle Zuhörer. Doch soll es nicht dabei bleiben: Ihr Ziel ist es, auch in Thailand so einen christlichen Chor aufzubauen, mit ihm durchs Land zu reisen und das Evangelium zu verkünden. Möge Gott sie in diesem Unterfangen unterstützen.

Webseite: www.baannokkamin.ch

Quelle: Buch "Haus der Heimatlosen" von Erwin Gröbli

Datum: 23.12.2003
Autor: Antoinette Lüchinger

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