Sudan

So wurde die UNO zum Regime-Komplizen

Heute spricht die UNO im Sudan von «ethnischer Säuberung». Dies ist mit ein Verdienst eines christlichen Hilfswerks aus der Schweiz. Doch dieser Weg führte «Christian Solidarity International» (CSI) durch ein sehr dunkles Tal, das noch lange nicht durchschritten ist. Denn obwohl die UNO mittlerweile von «ethnischer Säuberung» spricht, erwähnt sie das Thema Sklaverei noch immer nicht.

Aber beginnen wir vorne: «Unser Werk hat bestimmt einen sehr grossen Anteil daran, dass die Sklaverei in diesem Land aufgedeckt wurde», ist CSI-Mitarbeiter Gunnar Wiebalck überzeugt. «Wir haben ja ursprünglich den Status eines Mitgliedes bei der Menschenrechtskommission in Genf gehabt», fährt er weiter, und das Wort «gehabt» lässt erste Gewitterwolken ahnen.

Stimme von CSI zum Schweigen gebracht

«Diesen Status haben wir benutzt, um beim Menschenrechtsforum auf die fortgesetzte Sklaverei, die im Sudan stattfindet, hinzuweisen. Wir waren wiederholt in Genf, haben ausführliche Dokumente und Beweise vorgelegt, haben die internationale Presse in Genf informiert und haben uns auch direkt den Fragen der sudanesischen Vertreter in der Menschenrechtskommission gestellt. Auf alle möglichen Arten haben wir das Forum genutzt, um den Skandal bekannt zu machen», schildert Gunnar Wiebalck weiter. Man sollte nun erwarten, dass die Vereinten Nationen diese Hinweise mit einer überdimensionalen Lupe und einer äusserst voltstarken Taschenlampe genau überprüft hätten.

Unglaublicherweise war das krasse Gegenteil der Fall. Wiebalck: «Der Erfolg war ein Antrag der sudanesischen Regierung, CSI solle aus der Menschenrechtskommission ausgeschlossen werden.» Nicht dass die UNO nun etwa gewillt gewesen wäre, sich auf die Menschenrechte zu konzentrieren. Es kam zu einer Abstimmung um den Ausschluss der CSI aus der Menschenrechtskommission: «Die Vertreter Khartums wurden dabei von fast allen arabischen Staaten unterstützt, ebenso von anderen islamischen Ländern und von Diktaturen wie Kuba, dem Jemen oder Vietnam. Sie alle haben sich dafür ausgesprochen, dass die Stimme von CSI in der Menschenrechtskommission zum Schweigen gebracht wird. Die europäischen Länder haben sich in der entscheidenden Abstimmung zum Teil der Stimme enthalten; Frankreich und Deutschland wollten keine Partei für CSI ergreifen, wollten sich aber auch nicht gegen uns aussprechen.» Die Schweiz war damals noch nicht UNO-Mitglied und damit auch nicht Teil dieser Menschenrechtskommission.

Etappensieg für Diktaturen

Wiebalck war entsetzt über das Resultat dieser unglaublichen Abstimmung: «Das Endergebnis war eine Stimmenmehrheit für unseren Ausschluss. CSI hatte damit seine Stimme in dieser Kommission verloren. Das hat uns aber nicht daran gehindert, weiterhin die Sklaverei im Sudan anzuprangern. Nur unsere Strategie wurde geändert: Wir sind vermehrt in den USA an die Öffentlichkeit getreten. Die Menschen dort sind für dieses Thema sensibler. Wir haben dann auch verschiedene prominente Amerikaner schwarzer Herkunft eingeladen, dass sie uns in den Sudan begleiten, darunter einen demokratischen Präsidentschaftskandidaten, den schwarzen Pfarrer Al Sharpton. Im weiteren Wahlverfahren war er dann gegen John Kerry unterlegen und ist ausgeschieden. Auch viele andere prominente schwarze Amerikaner kamen mit CSI, um sich aus erster Hand über diesen Skandal zu informieren.

Gewinnt der Frieden trotzdem?

Diese Leute sind dann zurückgekehrt und haben mit ihren Berichten, Fotos in den USA sehr viel Publizität erreicht. Am Ende kam die Regierung von Präsident George W. Bush nicht umhin, auch zu diesem Konflikt eine Stellungnahme abzugeben. «Das war dann so, dass Bush eine Untersuchungskommission eingerichtet hat, die sich im Sudan über die Hintergründe des Geschehens informieren liess.» Diese Kommission bestätigt schliesslich die Existenz der Sklaverei, woraufhin die Regierung von George W. Bush einen Schritt weitergegangen ist: Wie man sieht, versucht sie jetzt, die Hauptkontrahenten des Konflikts an einen Tisch zu bringen, nämlich die südsudanesische Volksbefreiungsbewegung und die sudanesische Regierung. Seit zwei Jahren gibt es im Südsudan fast keine Sklavenjagden mehr. Unter dem Vorsitz der USA unterschrieben die beiden Kontrahenten vor wenigen Tagen in Kenia ein weiteres sehr wichtiges Protokoll. Das könnte dazu führen, dass im Sudan vielleicht doch Frieden einkehrt. Noch ist das nicht sicher, aber es könnte so kommen ...

Lesen sie auch die Serie dazu:
1. Teil Ich war 15 Jahre lang eine Sklavin
2. Teil Meine Klinik begann unter einem Baum
3. Teil Ein Arzt im Bombenhagel
4. Teil Noch keine Skorpione
5. Teil Die Milizen geben auf
6. Teil Gefangen, verkauft, unterdrückt
7. Teil Um diese Zeit kommen manchmal die Bomber
8. Teil Hühner schreien zwischen den echten "Music Stars"
9. Teil So wurde aus der Kornkammer ein Armenhaus
10. Teil Vier Kinder vom angetrauten Vergewaltiger
11. Teil Eine entvölkerte Schweiz, mitten im Sudan
12. Teil Die Sternstunde
13. Teil Der älteste Sohn der Familie vergewaltigte mich
14. Teil Nicht ohne meine Kinder
15. Teil Schweizer Hilfswerk macht Weltpolitik
17. Teil Wir haben die Hand Khartums geführt
18. Teil Die USA und das gigantische Missverständnis
19. Teil Wir machen uns zu Komplizen
20. Teil Wie viele sterben noch in Darfur?
21. Teil Nothilfe Sudan
22. Teil Gegen die Hungerkatastrophe im Sudan ankämpfen
23. Teil Weihnachten im Hungergebiet
24. Teil Diesesmal kein Tränengas zu Weihnachten
25. Teil "Wir werden eure Männer und Söhne töten" - wie lange schaut die Welt den Gräueln in Darfur zu?

Webseite: www.csi-int.org

Datum: 16.06.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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