«Wie ein Tier»
Gefangen, verkauft, unterdrückt
«Ich lebte in der Nähe von hier, etwa 15 Meilen entfernt», erinnert sich Ahuk Tong. Wir sind in Mabil, keine 50 Kilometer vom arabisch-moslemischen Norden entfernt. Ihre Kindheit war fast normal. «Wir spielten eine Menge Spiele und rannten viel herum.» Schmerzhaft war für Ahuk nur, dass sie ein Einzelkind war. Andere hatten hier fünf, sechs und mehr Geschwister. Ihr Vater war erschossen worden, als er versucht hatte, das Vieh zu verteidigen.
Gefangen
Und dann platzten sie ebenso unverhofft wie ungefragt in ihr Leben: Grobschlächtige, ungewaschene Schergen des arabisch-moslemischen Terrorregimes brachen mit unglaublicher Wucht in ihr Dorf ein. Sie kamen am Morgen. Sie kämpften, schrieen und schossen. «Ich rannte in den Busch», schildert Ahuk. Sie erinnert sich an ein entsetzliches Chaos. «Jeder rannten in eine andere Richtung weg.» Zusammen mit anderen Kindern verbarg sie sich im Busch. Vergeblich. «Wir wurden geschnappt. Ich sah nichts, ich schrie einfach. Was mit meiner Mutter geschah, weiss ich nicht.»
Verkauft
Die Kinder wurden in eine Stadt im Norden gebracht. «Wenn jemand heiraten wollte, wurden wir an diese Person verkauft und mit ihr verheiratet. Auch ich wurde so verkauft.» Ahuk kam in eine Familie, wo sie die zweite Ehefrau eines schwarzen Nuba-Mannes wurde. Die Nuba sind ein schwarzafrikanischer Nilotenstamm, der selbst unter den Wellen der "ethnischen Säuberungen" des Regimes von Khartum leidet. «Er war ein arabischer Nuba und seine Frau Araberin», erinnert sich Ahuk, die von nun an den ganzen Tag zu arbeiten hatte. Pflanzen und jäten, Wasser holen, kochen, putzen und so weiter.
Prügel von allen Seiten
Ihre Position ist rasch geschildert: Beide waren ihre Meister, beide prügelten sie. Mit der Frau gab es oft Kämpfe aller Art, und stiess der Mann dazu, gab es Schläge von beiden.
«Ich war immer überlastet. Die Arbeit war sehr hart. Wenn ich müde war und sagte, dass ich nicht mehr könne, kamen sie und schlugen mich. Von weit her musste Wasser heranschleppen. Wenn ich mich weigern wollte, gab’s Schläge. Drei Mal am Tag musste ich Wasser holen. Waschen, kochen und so weiter. Wenn ich mich weigerte, wurde ich geschlagen. Das war mein Alltag.»
Der Mann kümmerte sich nicht um seine Nuba-Herkunft. In seinem Herzen und Tun sei er ein moslemischer Araber ... von dem sie vier Kinder kriegte.
«Wie ein Tier»
«Ich schrie immer zu Gott. Denn meine Mutter war nicht da und mein Vater war erschossen worden. Und die Menschen, bei denen ich nun leben musste, behandelten mich wie ein Tier.»
Sie erinnerte sich immer wieder an ihre Mutter, die sich um sie gekümmert hatte. «Nun, falls sie ebenfalls tot ist, weiss niemand mehr, dass ich hier bin und der nach mir sucht. Gott allein, er ist meine einzige Kraft.»
Ahuk, die junge Sklavin hätte zwar flüchten wollen, aber die Kinder wären zurückgeblieben. «Ich hätte sie zurücklassen müssen. Sie wären schlecht behandelt worden. Das wäre zu hart gewesen.»
«Mein Körper trägt Zeichen»
Was die Kinder erwartet hätte, scheint klar: «Er wollte, dass ich Moslemin werde. Ich lehnte ab, und das brachte mir eine sehr schwere Zeit. Er schlug mich immer wieder und quälte mich. Mein Körper trägt viele Zeichen davon. Er isolierte mich im täglichen Leben oft von der Familie, weil ich nicht Moslemin war.»
Zu lachen hatte sie fast nichts und mit niemandem. «Ich war ja isoliert.» Gelächelt habe ich schon, mit meinen Kindern, aber mit diesen Leuten nicht. Eines wirklich schönen Tages kam dann eine Menschenrechtsorganisation. Ahuk kam mit allen ihren Kindern frei und lebt nun wieder im Südsudan. Trotz der künstlichen Hungersnot, die das Regime aus Khartum dort schürt, versucht sie ihre Kinder zu ernähren.
Kein Einzelschicksal
Adut Adam ist kein Einzelschicksal. Zur Zeit sind über 200'000 Südsudanesen im Norden versklavt*. Durch Freikäufe der internationalen Hilfsorganisation CSI («Christian Solidarity International») konnten 84'000 zurückkehren. Die Dokumentationsarbeit von CSI bewirkte einen internationalen Druck auf das sudanesische Regime, so dass dieses mittlerweile von sich aus mehrere Zehntausend freiliess. Die Regierung in Khartum bestreitet einerseits diese Versklavungen, führt sie aber andererseits weiter. Denn der moslemische Norden will den christlichen und animistischen Süden zwangsislamisieren, nicht zuletzt wegen der dortigen Erdölvorkommen.
Der Süden war einst die Kornkammer des Landes und ernährte den Norden mit. Die Überfalle der Sklavenhändler finden aber in der Saat- und Erntezeit statt. Dabei werden die Dörfer niedergebrannt und die Kinder und Frauen als Sklaven mitgenommen und viele Männer umgebracht. Auf diese Weise ist dort längst eine künstliche Hungersnot entstanden. Die UNO spricht von einer «ethnischen Säuberung», und nach Angaben von Caritas sind derzeit 800'000 Südsudanesen auf der Flucht.
* Die Zahl basiert auf Angaben der acht Zivilverwalter der Bezirke Aweil East, Aweil West, Aweil North, Aweil South, Twic, Abyei, Gogrial und Mayom.
Lesen sie auch die Serie dazu:
1. Teil Ich war 15 Jahre lang eine Sklavin
2. Teil Meine Klinik begann unter einem Baum
3. Teil Ein Arzt im Bombenhagel
4. Teil Noch keine Skorpione
5. Teil Die Milizen geben auf
7. Teil Um diese Zeit kommen manchmal die Bomber
8. Teil Hühner schreien zwischen den echten "Music Stars
9. Teil So wurde aus der Kornkammer ein Armenhaus
10. Teil Vier Kinder vom angetrauten Vergewaltiger
11. Teil Eine entvölkerte Schweiz, mitten im Sudan
12. Teil Die Sternstunde
13. Teil Der älteste Sohn der Familie vergewaltigte mich
14. Teil Nicht ohne meine Kinder
15. Teil Schweizer Hilfswerk macht Weltpolitik
16. Teil So wurde die UNO zum Regime-Komplizen
17. Teil Wir haben die Hand Khartums geführt
18. Teil Die USA und das gigantische Missverständnis
19. Teil Wir machen uns zu Komplizen
20. Teil Wie viele sterben noch in Darfur?
21. Teil Nothilfe Sudan
22. Teil Gegen die Hungerkatastrophe im Sudan ankämpfen
23. Teil Weihnachten im Hungergebiet
24. Teil Diesesmal kein Tränengas zu Weihnachten
25. Teil "Wir werden eure Männer und Söhne töten" - wie lange schaut die Welt den Gräueln in Darfur zu?
Webseite: www.csi-int.org
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch