Rappender Pastor

Mit Beat und Botschaft

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Jean François Uwimana (Bild: Bistum Erfurt)
Priester Jean François Uwimana hat das Ende der Messe abgewartet, bis er die Gemeinde an seiner grossen Leidenschaft teilhaben lässt: dem Rap. Damit will der Theologe die christliche Botschaft lebensnah transportieren.

In der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt sorgt seit ein paar Monaten ein afrikanischer Priester für Aufsehen. Er schlägt ungewöhnliche Töne an. Denn Jean François Uwimana hat zwei Leidenschaften: den Menschen die Liebe Gottes weitersagen und die Rap-Musik. Der 34-jährige Theologe beweist, dass beides sehr gut zusammenpassen kann.

Wer ihm das erste Mal begegnet, ahnt nicht, was für eine «Rampensau» Uwimana sein kann. Aber wenn der eher unscheinbare Mann aus Ruanda von seiner Rap-Leidenschaft erzählt, funkeln seine braunen Augen. Als er mitten im Gespräch eine Kostprobe seines Könnens gibt, schliesst er die Augen und geniesst es, seine Texte von Gottes Liebe zu singen.

Uwimana ist im Speckgürtel der Hauptstadt Kigali aufgewachsen. Viele Menschen kennen den Binnenstaat in Ostafrika vor allem durch die politischen Auseinandersetzungen. Bei den andauernden Konflikten zwischen Hutu und Tutsi sterben ab 1994 über eine Million Menschen. Sein Vater ist Soldat. Er stirbt bei Unruhen in dem Land, als Uwimana elf Jahre alt ist. Wenn ihn sein Vater nicht fünf Minuten vorher zu Besorgungen weggeschickt hätte, wäre er vielleicht auch in das Gemetzel geraten, das eindringende Soldaten anrichteten.

Sein Name bedeutet «Geschenk Gottes»

Bis heute weiss Uwimana – der Familienname bedeutet «Geschenk Gottes» – nicht, wer hinter dem Überfall steckt. Seine Mutter muss die fünf Kinder alleine durchbringen. Musik spielt in der Kindheit ihres Sohnes Jean François zunächst keine Rolle. Der Junge spielt stattdessen in jeder freien Minute Basketball, Fussball und macht Karate. «Selbst wenn hübsche Frauen vorbeikamen, mit denen mich meine Mutter verkuppeln wollte, war ich beim Sport», erzählt er und schmunzelt. Die Begeisterung für den Sport und der Bewegungsdrang sind geblieben.

Die Mutter schickt den Jungen aufs Gymnasium. Dort unterrichtet ihn Priester Monsignore Dominique im Fach Musik. Ihm fällt Uwimanas Talent sofort auf. In einer Chorprobe singt der Junge Lieder fehlerfrei vom Blatt, was seinen Mitschülern trotz intensiver Probe nicht gelingt. Es ist so etwas wie der Startpunkt für Uwimanas Entwicklung, der sich der Schulband anschliesst und sich selbst Keyboard, Orgel und Trompete beibringt.

Nach der Schule entscheidet er sich, Theologie zu studieren. Und bald macht er Nägel mit Köpfen: Er will Priester werden. Auch der gewaltsame Tod des Vaters bringt ihn ins Nachdenken darüber, worauf es im Leben ankommt. Im Priesterseminar komponiert er schon sein erstes Lied über den Heiligen Thomas von Aquin.

Jugendliche rappen neben der Kirche über Drogen und Gewalt

Den entscheidenden Aha-Moment für seine Rap-Leidenschaft hat er auf seiner ersten Stelle als Kaplan. Nach der Sonntagsmesse stösst er neben der Kirche auf rappende Jugendliche. Ihn irritieren die verstörenden Texte über Drogen, Gewalt und Kriminalität, während er nur einige Meter entfernt in der Messe von der Liebe Gottes erzählt. Er kommt mit den Jugendlichen ins Gespräch. In ihrer Freizeit wollen sie Spass haben und tanzen. Beides bieten ihnen die Kirchenlieder nicht.

Uwimanas Bischof fordert den Geistlichen in dieser Zeit auf, kurze und moderne Lieder zu schreiben, die auch für die junge Generation attraktiv sind. So entsteht sein erster Rap mit dem Titel «Beten», den er in einem Studio aufnimmt. Ein Journalist aus seinem Umfeld sorgt dafür, dass der Rap im Radio gespielt wird – dem 34-Jährigen passt das gar nicht. Denn dass ein Priester einen Rap-Song veröffentlicht, ist für ihn selbst nur schwer vorstellbar. Daraufhin kann er sich jedoch vor Presseanfragen kaum retten.

Aber auch Kritiker melden sich zu Wort, dass der Auftritt lediglich eine Eintagsfliege sei und warum ein Pastor denn rappe. Damit es nicht bei der Eintagsfliege bleibt, komponiert er innerhalb eines halben Jahres acht weitere Titel. Bei einem Auftritt in Kigali hören ihn Besucher aus Deutschland. Sie laden ihn 2016 zum Afrika-Festival nach Bad Neustadt ein. Ausserdem «rockt» Uwimana den Weltjugendtag in Krakau.

Auch deutsche Mitbewohner tanzen mit

Auf seinem Youtube-Kanal «Ultra JFU» sorgt er dafür, dass auch die weltweite Gemeinde seine Lieder findet. Dass der Priester Englisch, Französisch, Deutsch, Kinyarwanda, die Landessprache Ruandas, und Kiswahili spricht, trägt ebenfalls zur Popularität der Musik bei. Stilistisch kann der Theologe mehr als «nur» Rap: Auch Reggae, afrikanische Klassik und Gospel begeistern ihn.

Seit einem Jahr lebt er jetzt in Thüringen, um in Erfurt seine Doktor­arbeit zu schreiben. An das kalte deutsche Wetter muss er sich noch gewöhnen. Vor allem in der Pandemie fehlt ihm der Kontakt zu anderen Menschen: «Da sind die Afrikaner ganz anders», verweist er auf die Unterschiede im Zusammenleben. In seiner Heimat Ruanda war es leicht, Mitstreiter für seine Videos zu finden.

Dort war er auch etliche Male im Fernsehen zu sehen. «Die Deutschen sind da schon zurückhaltender», erzählt er. Für das Video «Love-d you» konnte er trotzdem einige seiner Mitbewohner aus dem Priesterseminar dazu bringen, mit ihm zu tanzen. Auf Youtube hat Uwimana mittlerweile 12'000 Abonnenten.

Musikalische Projekte mit jungen Menschen umsetzen

Die Menschen fragen ihn häufig, ob er nicht mehr Videos produzieren möchte. Vorstellen kann sich Uwimana das. Aber gute Ergebnisse sind auch teuer: Für ein Video kalkuliert er zwischen 600 und 1'000 Euro ein. Das hängt vom jeweiligen Studio ab und davon, wie viel Arbeit der Produzent hat. Eine reine Audio-Datei kostet etwa zwischen 250 und 500 Euro: «Wenn ich hier im Priesterseminar Menschen finde, die mitmachen möchten, helfen sie mir gerne kostenlos und wir trinken hinterher gemeinsam ein Bier.»

Nach der Aufnahme bestellt er oft eine Band, die professionell tanzt. Weil er finanziell auf andere angewiesen ist, kann er nicht genau versprechen, wann es weitere Videos gibt. «Es ist meine Leidenschaft. Deswegen versuche ich, alle drei Monate mindestens ein Video zu produzieren.» Der Priester hätte auch Lust, nach der Pandemie in der Kirche musikalische Projekte mit jungen Menschen umzusetzen. Ob er dazu in Deutschland bleiben kann, muss dann der Bischof entscheiden.

Bis dahin steht er sonntags noch in Arnstadt und Weimar hinter dem Altar, schreibt an seiner Doktorarbeit und füllt Bass-Beats mit der christlichen Botschaft. Von seiner Kirche wünscht er sich mehr Bewegung – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Dazu kann er aus seiner Sicht mit seinen Liedern einen Beitrag leisten.

«Kirche muss hier noch mehr Akzente setzen»

Ideen dafür speist er aus positiven Erfahrungen, aber auch persönlichen Enttäuschungen. Dann versucht er, bekannte Bibelstellen, die von Gottes Liebe und Vertrauen handeln, in die moderne Form zu übersetzen. Es sind Worte, die zu seinem Glauben und seiner Überzeugung passen. Weil die katholische Messe eine klare Liturgie hat, rappt er auch immer erst nach den Gottesdiensten, wenn er das Messgewand abgelegt hat, oder wenn er darum gebeten wird.

Mit seiner Doktorarbeit möchte Uwimana herausfinden, wie «Jugendpastoral in Zeiten der Digitalisierung» gelingen kann. «Kirche muss hier noch mehr Akzente setzen und Neues ausprobieren», sagt der Theologe, der noch am Anfang seiner Forschungen steht. Vielleicht kann er helfen, junge Menschen zu vernetzen und Neues auch im kirchlichen Rahmen zu wagen: «Junge Menschen suchen attraktive Angebote. Wir verlieren diese Generation, wenn wir nichts machen.» Seine Lieder könnten helfen, um dem entgegenzuwirken.

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Datum: 19.04.2022
Autor: Johannes Blöcher-Weil
Quelle: PRO Medienmagazin

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