Türkischer Wahlkampf
Soll die Hagia Sophia als «Moschee und Kirche» wieder eröffnet werden?
Die Frage einer Rückwandlung des Hagia-Sophia-Museums zur Moschee, in welche die einst grösste Kirche der Christenheit von 1453 bis 1924 verwandelt war, wird auch im Istanbuler Wahlkampf für den kommunalen Urnengang am 30. März diskutiert.
Oberbürgermeister Kadir Topbas bewirbt sich ein drittes Mal um sein Amt. Obwohl selbst von Haus aus islamischer Theologe, hält er sich bei diesem Thema noch zurück. Andere Wahlwerber für das Stadtparlament aus der islambetonten Regierungspartei «Gerechtigkeit und Aufschwung» (AKP) treten jedoch unverblümt dafür ein, dass «wieder Moschee werden muss, was einmal Moschee war.» Diese Parole hatte letzten Sommer Vizepremier Bülent Arinc ausgegeben. Er gilt als einer der Hauptverantwortlichen und Unterstützer für die Umwandlung von Kirchen in Moscheen in der Republik Türkei.Bülent hat sich damit schon bei anderen Sophien-Kirchen in der alten Konzilsstadt Nicäa (Isnik) sowie in Trapezunt (Trabzon) am Schwarzen Meer durchgesetzt: Aus «Kirchenmuseen» wurden sie wieder zu Moscheen gemacht. Keine Gefahr besteht in Istanbul nur für die Hagia Irene, die nie zur Moschee, sondern in ein Waffenlager verwandelt worden war. In ihr soll 2016 ein gesamtorthodoxes Reformkonzil stattfinden.
Eine «Re-Moscheeisierung» der Hagia Sophia fordern hingegen auch Kandidaten der türkisch-ultranationalistischen Partei MHP. Hingegen sprechen sich Mandatare der laizistischen Republikanischen Volkspartei (CHP) für die Erhaltung des säkulär-musealen Charakters des Gotteshauses aus. Wenn schon kein Museum mehr, dann wenigstens wieder Kirche, wagt sogar der eine oder andere Kandidat aus den Reihen der armenischen und syrisch-orthodoxen Christen anzuregen, die als Unabhängige kandidieren.
Sie bekommen darin Rückhalt vom griechisch-orthodoxen Patriarchen, Bartholomaios I. Zumindest müsste ein Teil der «Wieder-Moschee» Hagia Sophia auch wieder Kirche werden.
Einer solchen Lösung zeigen sich einzelne AKP-Politiker gar nicht abgeneigt. Diese wollen aber nicht namentlich genannt sein. Sie verweisen darauf, dass es durchaus Beispiele für eine solche Doppelrolle gebe.
Das berühmteste ist die Johannes-Basilika und spätere Ummajaden-Moschee in Damaskus. Sie diente nach der arabischen Eroberung Syriens im Jahr 634 noch 70 Jahre als zum Teil christliches und als muslimisches Gotteshaus. Mit diesem und anderen Präzedenzfällen sei es auch nach islamischen Recht zulässig, die Hagia Sophia als Moschee und Kirche auferstehen zu lassen.
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet