Re-Islamisierungs-Schacher
Hagia-Sophia-Moschee gegen theologische Fakultät
«Es ist nur mehr eine Frage kurzer Zeit, bis die Hagia Sophia wieder eine Moschee wird!», prophezeit die türkische Tageszeitung «Hürriyyet» (Freiheit). Die Regierung bietet dafür die Wiedereröffnung der orthodoxen, theologischen Fakultät auf der Insel Chalki an.
Nach der Konzilskirche von Iznik, dem alten Nicäa, und der Hagia Sophia von Trabzon sei nun im Zug der Re-Islamisierungspolitik von Ministerpräsident Erdogan die «Grosse Kirche» in Istanbul an der Reihe, schreibt die Zeitung. Der Vater der modernen Türkei, Kemal Atatürk, hatte in den 1920er und 1930er Jahren viele Moscheen, die früher Kirchen waren, zu Museen erklärt und so auch für Christen wieder zugänglich gemacht. Allerdings blieben Gottesdienste oder auch nur äussere Zeichen eines persönlichen Gebets streng verboten.Ein Verwirrspiel der Regierung
Nach den Informationen der «Hürriyet» will die «islamdemokratische» Regierung der Türkei den negativen Effekt, den die Rückwandlung des Hagia-Sophia-Museums in eine Moschee im Ausland hervorrufen dürfte, durch die Wiedereröffnung der seit 1971 gesperrten, christlichen Theologischen Hochschule von Chalki auf einer Insel vor Istanbul abfangen.
Bisher gab es ein Verwirrspiel in dieser Angelegenheit. Nachdem es zunächst geheissen hatte, die Ausbildung von griechisch-orthodoxen und anderen Pfarrern könnte schon mit dem Studienjahr 2013/14 neu aufgenommen werden, war dann von Gegenleistungen Griechenlands zugunsten seiner Muslimminderheit als Vorbedingung die Rede. Neue Hoffnung brachte dann ein Bericht der gewöhnlich gut informierten Zeitung «Radikal», dass die in der Türkei für 42 Jahre unterbrochenen, christlich-theologischen Studien, unabhängig von dem Verhältnis zwischen Ankara und Athen, durch eine Änderung des Privatschulgesetzes neu aufgenommen werden könnten.
Die inzwischen dazu bekannt gewordenen Einzelheiten warfen aber neue Schatten auf eine Reaktivierung von Chalki: Die 1844 gegründete Fakultät mit Seminar soll die Rechtsform einer religiösen Stiftung und den Status einer Privatuniversität erhalten. Der Lehrplan, für den das türkische Bildungsministerium zuständig wird, werde jedoch mehr Allgemeinwissen als theologische Fächer und eine praktische, liturgisch-homiletische Ausbildung beinhalten.
Ist so eine Pfarrerausbildung möglich?
«Chalki einfach wieder aufsperren, ist zu wenig!», sagt der Sprecher von Patriarch Bartholomaios I., Erzpriester Dositheos Anagnostopoulos. Und der Verantwortliche für kirchliche Stiftungen, Lakis Vingas, fügt hinzu: «Wesentlich wird sein, dass dann die Pfarrerausbildung wirklich wieder funktioniert!».
Inzwischen erfolgen Rückzieher auch in anderen Bereichen der anfangs so grossartig verkündeten Liberalisierung zugunsten religiöser Minderheiten in der Türkei. So dementiert das Direktorium für Religionsangelegenheiten, dass die Andachtsstätten der zweiten türkischen islamischen Konfession, der Aleviten, öffentliche Anerkennung erhalten sollen.
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet