Macaus Christen
Subtiler Druck wird konkreter
Im früher portugiesischen Macau herrscht seit bald zwei Jahren der hochrangige chinesische Kommunist Xia Baolong. Während er in der anderen «Sonderverwaltungszone» Hongkong massiv gegen Demokraten und Christen vorgeht, hält er sich in Macau noch zurück.
Dessen etwa 4'000 aktive evangelische Christen weisen aber auf systematische Vorkehrungen für ihre Totalüberwachung in dem mit 21'000 Menschen je Quadratkilometer am dichtesten besiedelten Gebiet der Welt hin. «Momentan besitzen wir noch das hohe Gut der Religions- und Meinungsfreiheit», sagt Prof. Franz Gassner von der St. Joseph's University. Doch steige auch in Macau die Angst vor strikter Kontrolle und dem Verlust der Sonderrechte, die 1999 bei der Übernahme durch Volkschina verbrieft wurden: «Es herrscht eine neue Gefahr der Unfreiheit und des Totalitarismus, überall gibt es Spitzel, Mikrophone und Kameras.»
Noch gelte zwar die europäisch klingende Verfassung der Region, die sich durch das Prinzip «Ein Land – Zwei Systeme» vom chinesischen Festland gravierend unterscheidet. «Sie steht aber zunehmend nur mehr auf dem Papier.»
Viele Grenzgänger dank Casinos
So ist Rotchina, in das sich vom 338m hohen Macau-Tower über das Delta des Perlflusses weit hineinschauen lässt, mit seinem religionsfeindlichen System, wo unter 18-Jährige in keine Kirche gehen dürfen, nicht mehr so weit entfernt. Vom Glückspielbetrieb, der unter den Portugiesen sanktioniert wurde, lebt nicht nur die ganze Stadt, sondern seit dem «Anschluss» von 1999 auch ihre südchinesische Nachbarschaft. Über die grösste Meeresbrücke der Welt strömen am Morgen Hunderttausende Festlandchinesen zu ihren Arbeitsplätzen, um am Abend wieder nach Hause zu fahren.
Das bedeutet, dass die «Macanesen» am Tag zu einer Minderheit im eigenen Haus werden. Teilweise auch nach Einbruch der Dunkelheit, wenn die Besucher der Casinos und des übrigen Nachtlebens einströmen. Evangelische Freikirchen entfalten bewundernswerte, oft waghalsige Aktivitäten zur Befreiung von Zwangsprostituierten aus ganz Ostasien, die nach Macau gelockt wurden. Ein weiterer Sozialeinsatz gilt dem Eindämmen der ortsüblichen Kinderarbeit. Vor allem Fischer bevorzugen es, billige «Schiffsjungen» von Eltern und Verwandten anzuheuern.
Einige Getaufte aus China
Die internationale Kampagne earthlink e.V. wird auch aus der Schweiz über «Schweiz – Aktiv gegen Kinderarbeit» unterstützt. Hingegen haben sich Hoffnungen, die vom Festland kommenden Taglöhner für Jesus ansprechen zu können, nur teilweise erfüllt. Nach Angaben der «Union der Christlich-Evangelischen Kirchen» wurden in Macau in den letzten Jahren jeweils 200 bis 300 früher Glaubenslose aus der Volksrepublik getauft, die meisten von ihnen Erwachsene in Baptistengemeinden. Der Zustrom von Rotchinesen hat seit 2019 wegen Covid jedoch abgenommen.
Pläne zur Gleichschaltung
Derselbe Minimalisierungseffekt ist natürlich auch bei der Anreise von Konsumenten des Glückspiels, von Drogen und Liebesdiensten eingetreten. Macau hat in den letzten beiden Jahren mehr als die Hälfte seines Steueraufkommens verloren. In diesem Monat war die Staatskasse so leer, dass Peking am 25. November 6,3 Milliarden Macauische Patacas (rund 800 Millionen Franken) zuschiessen musste. Das erhöht natürlich die Abhängigkeit der Sonderverwaltungszone von China und macht sie anfällig für deren Gleichschaltungspläne.
Das zeigt sich vor allem in einem zuletzt massiven Polizeiaufgebot gegen die ohnedies kleinen Solidaritätsaktionen mit der Demokratiebewegung in Hongkong. Eine Mahnwache mit nur neun Teilnehmern wurde von mehreren Hundertschaften der Sicherheitskräfte aufgelöst. Und die wenigen Touristen, die sich vor Macaus Sehenswürdigkeiten sammeln, werden kontrolliert. Wie der TDM Canal Macau erst jetzt berichtet, wurde am ersten Oktobersonntag eine Pfingstkirche auf Anweisung der Regierung geschlossen, weil man in ihr für die Christen von Hongkong gebetet hatte.
Baptist will ins Stadtparlament
Von der «besseren» Gesellschaft erhalten die Christen keine Unterstützung. Zwar gibt es in Macau neben vielen Vereinigungen auch so etwas wie «einflussreiche Nachbarschaften», in denen vor allem Mitglieder der Pro-Peking-Elite leben. Viele Gruppierungen wie die «Macau-Wirtschaftsunion» und die «Gemeinschaftliche Gesellschaft Jiangmen» haben Sitze im Stadtparlament. Doch bewirbt sich jetzt der junge Baptist Scott Chiang mit der von ihm gegründeten «Vereinigung für ein soziales und demokratisches Macau» (APDM) um Sitz und Stimme für die Christen der Selbstverwaltungszone.
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet