Libanon an der Wende

Erster Protestant im neuen Beiruter Parlament

Die Wahlen im Libanon haben die Machtverhältnisse verschoben. Zwar hat ein evangelischer Christ erstmals einen Sitz erobert, doch das Wahlresultat stärkt den Einfluss des Irans.

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Libanesisches Parlament
In Libanon fanden am Sonntag die wegen des benachbarten syrischen Bürgerkriegs schon dreimal verschobenen Neuwahlen statt. Hinausgezögert wurden sie auch mit dem Hinweis, dass sich die Zusammensetzung des Parlaments durch die bisherigen Urnengänge kaum verändert hat: Immer dieselben Parteien und Abgeordnetenclans, von denen die 128 Sitze in der Beiruter Nationalversammlung seit der libanesischen Unabhängigkeit von 1943 besetzt wurden.

Die Volksvertreter, unter ihnen nur vier Frauen, mussten ausserdem bestimmten Religionen bzw. christlichen Konfessionen angehören. Nur für die etwa 50'000 evangelischen Christen gab es im Parlament keinen Platz, obwohl für kleinere Gemeinschaften zwei bis drei Sitze reserviert waren.

Proporz führt zu einem Umbruch

Diesmal ist aber vieles anders geworden: An die Stelle der Begünstigung starker politischer Formationen durch das bisherige Mehrheitssystem trat das Verhältniswahlrecht. Es verschaffte auch Kleinparteien und Einzelkandidaturen reale Aussichten. Das motivierte im für sie aussichtsreichsten Wahlkreis Beirut II sechs evangelische Kandidaten, sich um den Sitz zu bewerben, der für «unabhängige Wahlwerber» geschaffen wurde. Zwar liegen die definitiven Resultate noch nicht vor, doch dürfte im neuen libanesischen Parlament als erster Protestant Edgar Trabelsi sitzen.

Libanons traditionelle Parteien sind alle Vertretungen von Religionsgemeinschaften, wobei diese verschiedenen politischen Strömungen angehören können. So werben um die maronitischen Katholiken zwei rivalisierende Gruppen, bei den Schiiten gibt es neben der dominierenden Hisbollah noch die kleinere, aber mit ihr verbündete Amal. Heute haben diese Konfessionsparteien aber viele Wähler und auch Kandidaten aus anderen Bekenntnissen.

«Brotstimmen» von Hariri zur Hisbollah

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Saad al-Hariri
So wurde die Sunnitenpartei «Zukunftsbewegung» von  Vater und Sohn Hariri einfach vom Personal ihrer Grossunternehmen zur stärksten politischen Kraft seit den 1990er-Jahren gemacht. Nach Lohnrückständen und Massenentlassungen sind diese «Brotstimmen» aber nun verloren gegangen und zur «Hisbollah» abgewandert. Da Libanons Premier ein Sunnit sein muss, bestehen für Hariri daher Aussichten auf die Führung einer Koalitionsregierung mit der «Hisbollah». Allerdings mit den Schiiten als führender Kraft und nicht wie bisher als Juniorpartner. Nachdem diese mit ihren Verbündeten im neuen Parlament sogar die Mehrheit errangen, wird Iran in Libanon noch mehr Einfluss bekommen.

Wenn Katholiken die Hisbollah wählen

Mit Stimmgewinnen kann auch Präsident Michel Aouns «Freie Patriotische Bewegung» rechnen. An und für sich eine katholische Maroniten-Partei. Sie arbeitet jedoch schon seit 2006 mit der «Hisbollah» zusammen. Diese hat daher für diese Wahlen an versprengt lebende Schiiten die Weisung ausgegeben, für die Aoun-Partei zu stimmen. Nach dem alten Wahlrecht war ihr Votum verloren, jetzt aber kann es die christlichen Bundesgenossen der libanesischen Schia stärken. Auch das gibt es in Libanon...

Im anti-schiitischen Lager haben zwar die erklärt christlichen «Libanesischen Kräfte» ihre Abgeordneten von acht auf 15 fast verdoppelt. Einen Riegel können sie Libanons drohendem Abgleiten in die Einflusszone Teherans aber auch nicht vorschieben.

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Datum: 09.05.2018
Autor: Heinz Gstrein / Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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