Haiti nach dem Hurrikan
Christliche Organisationen leisten Nothilfe
In Haiti wütete am Dienstag ein Hurrikan mit der Windgeschwindigkeiten von bis zu 230 Kilometern pro Stunde, der stärkste Wirbelsturm seit fast einem Jahrzehnt. World Vision und DMG sind vor Ort aktiv und leisten Nothilfe.
Nachdem Hurrikan Matthew über Haiti hinweggezogen ist, zeigt sich das ganze Ausmass der Schäden. Die UN-Organisation OCHA schätzt, dass rund 350'000 Menschen in dem Karibikstaat nun schnelle Hilfe benötigen. Mitarbeiter von World Vision berichten, dass besonders der Süden des Landes schwer getroffen ist. Auch sei die Region schwer erreichbar, da viele Brücken weggeschwemmt wurden.40% der Häuser nicht mehr bewohnbar
John Hasse, Direktor von World Vision Haiti berichtet: «Unsere Begutachtung der Schäden ist fast beendet. Der Hurrikan hat besonders im Süden des Landes grosse Schäden angerichtet. Viele Häuser sind ganz oder teilweise zerstört und haben keine Dächer mehr. Bäume wurden wie Streichhölzer umgeknickt. Auch in einigen anderen Landesteilen sind bis zu 40% der Häuser nicht mehr bewohnbar.»
Grosse Probleme bestehen auch, weil viele Brücken zerstört wurden. Selbst mit Jeeps sei oft kein Durchkommen mehr. «Der Schlamm in den Strassen ist so hoch und dick, dass selbst Autos mit 4-Rad-Antrieb stecken bleiben», so Hasse. «Unsere Mitarbeiter sind nun mit Booten auf den reissenden Flüssen in entlegenen Regionen unterwegs. Dies ist sehr gefährlich, aber es bleibt uns keine andere Wahl, diesen Weg zu wählen, wenn wir den Opfern helfen wollen.» Einige Regionen sind nur noch mit dem Hubschrauber erreichbar, wobei derzeit der Wind so stark ist, dass keine Flüge stattfinden können.
Nicht genügend Unterkünfte
Aufgrund des verunreinigten Trinkwassers besteht nun grosse Sorge, dass Krankheiten wie Cholera ausbrechen könnten. Die wichtigsten Hilfsmassnahmen sind daher, die Versorgung der Opfer mit sauberem Trinkwasser und Notunterkünften. Laut Hasse haben Kirchen und Schulen ihre Räume für die Versorgung der Menschen geöffnet. Die Hilfsbereitschaft der Haitianer sei sehr gross. Viele Familien würden Betroffene bei sich zu Hause aufnehmen, aber im Süden sei die Verzweiflung gross, da nicht mehr genügend Unterkünfte für alle Betroffenen zur Verfügung stünden und hier auch Kirchen und Schulgebäude zerstört wurden. Viele Menschen hätten nach dem Erdbeben vor 6 Jahren auch immer noch in Notunterkünften gewohnt.
Bereits am Tag der Ankunft des Hurrikans hatte World Vision damit begonnen, Hilfsgüter wie Decken und Hygienesets, Wasserkanister und Tabletten zur Aufbereitung von Trinkwasser an Betroffene zu verteilen.
Augenzeugenbericht
Die DMG-Missionarin Susanne Fassl erzählt, wie sie den Hurrikan erlebt hat:Vor dem Sturm:
Seit gut einer Stunde wütet der Hurrikan, es ist fast ein Uhr morgens in Haiti. Der Wind nimmt immer wieder Fahrt auf, aktuell laut Nachrichten 142 km/h. Der Sturm rüttelt am Haus, schwere Gegenstände fliegen durch die Luft und aufs Dach. Es klingt bedrohlich. Wir haben keine Glaslammellenfenster, sondern nur Moskitonetze und einen Fensterladen aus Holz davor, der uns schützt. Doch wir sind dankbar und beten für die Haitianer in unserer Stadt, von denen viele dem Wind und der Gefahr ungeschützt ausgesetzt sind. Es regnet heftig, keiner weiss, wie lange es anhält. Ich spüre, wie Jesus mich mit Frieden und Gelassenheit erfüllt, trotz der unüberschaubaren Situation. Momentan kann ich keinen Kontakt zu unserem Gästehaus aufnehmen. Das Telefonnetz ist ausgefallen. Danke wenn Ihr weiter für uns betet. (Anmerkung d. Red.: Susanne Fassl hatte sich mit fünf Personen in das etwas höher gelegene Haus des Leiters ihrer Klinik zurückgezogen).
Nach dem Sturm:
Wir wurden schwer getroffen und sind froh, dass wir das Ganze überlebt haben. Am Strand und in höheren Lagen ist alles zerstört. Wir haben eine schlimme Nacht hinter uns, der Hurrikan ist immer heftiger geworden. Fensterläden sind abgerissen. Wir suchten dann im Nachbargebäude Schutz, konnten die Tür aber nicht schliessen - obwohl wir uns aneinander festgehalten und alle Kräfte gebündelt haben. Wir wären beinahe weggeflogen. So sassen wir durchnässt über Stunden in einer Ecke des Hauses und der Hurrikan pfiff durch die Räume. Wir sind froh, dass wir es heil überstanden haben. Im Moment laufen wir alles zu Fuss. Brücken sind abgebrochen, kein Durchkommen mit dem Auto … alles voller umgestürzter Bäume. Palmen sind abgeknickt wie Streichhölzer. Es ist eine Katastrophe, hier ist Ausnahmezustand. Unser Gästehaus steht noch, mein Zimmer ist nahezu unversehrt, obwohl alles überflutet worden ist. Der Garten ist verwüstet, der Meeresspiegel ist angestiegen, noch immer windet es stark und regnet ab und an. Alles ist durchnässt, die Sachen trocknen schlecht. Wir schlafen zu zweit auf einer Matratze für eine Person. Flugzeuge überfliegen uns, die Verbindung zur Aussenwelt ist komplett abgebrochen. Wir hoffen, sie versorgen uns mit Wasser und Lebensmitteln … wir halten alle zusammen. Meine haitianischen Nachbarn unterstützen mich. Der Wassertank auf dem Dach ist weggeflogen, es gibt keinen Strom im Haus. Die komplette Strandstrasse ist in viele Stücke unterspült, aufgebrochen und unpassierbar. Ich konnte mein Auto im Depot unterstellen, es war noch ganz.
Viele Menschen haben alles verloren. Unsere Klinik hat eines unserer Depots geöffnet, damit die haitianischen Nachbarn im Trockenen kochen und hier unterkommen können. Wir helfen uns gegenseitig. Die Gründerin unserer Kinderklinik und ein Arzt aus den USA wollen heute (Freitag, 7.10.) mit dem Helikopter zu uns einfliegen – da man nicht anders durchkommen kann –, um uns zu unterstützen. Wir sind sehr froh darüber. Bitte betet für uns. Es kann Wochen dauern bis wir die Lage unter Kontrolle haben. Soviel fürs Erste, danke für alles beten. Eure Susanne!
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Autor: Anja Janki
Quelle: Livenet / World Vision / DMG