Livenet-Redaktorin in Ecuador
«Es ist bewegend, wie die Tragödie das Land zusammenschweisst»
Livenet-Redaktorin Rebekka Schmidt lebt mit ihrer Familie in Quito, Ecuador, und hat das Erdbeben hautnah miterlebt. Livenet hat sie gefragt, wie die Situation im Land momentan ist und wie sie das Beben erlebt hat.
Livenet: Wie hat sich das Erdbeben in Quito bemerkbar gemacht? Wie habt ihr es erlebt?
Rebekka Schmidt: Hier in Quito hat die Erde sehr stark gebebt. Wir waren bei einer Geburtstagsfeier und mit einem Mal wackelte der Boden und kurz darauf sah man vor dem Haus eine Explosion und dann war auch der Strom weg. Im Dunkeln schien das Beben endlos, obwohl es nicht einmal eine Minute dauerte... Der Strom kam bei uns schon nach einer halben Stunde wieder, andere Stadtteile waren noch bis am Sonntagmorgen ohne Strom, weil Strommasten umgekippt sind.
Hast du gesehen, wie Häuser zusammengestürzt oder beschädigt worden sind?
Nein, hier in Quito gab es kaum materielle Schäden, es wurden insgesamt drei Häuser beschädigt oder stürzten ein. An der Küste sieht die Situation leider ganz anders aus.
In sechs Provinzen hat der Präsident den Notstand ausgerufen. Aber im Rest des Landes verläuft das Leben recht normal. Bis Dienstag sind grössere öffentliche Versammlungen insbesondere in Diskothekn und Bars verboten. Auch Krankenhäuser haben ihre Besuchszeiten stark verkürzt, um ein grösseres Menschenaufkommen zu verhindern im Falle eines starken Nachbebens. An der Küste haben viele Orte noch keinen Strom und kein Wasser, das Telefonnetz funktioniert auch noch nicht überall. Dies macht es insbesondere schwierig, Angehörige zu kontaktieren und sicherzustellen, dass es ihnen gut geht.
Gibt es immer noch Nachbeben?
Ja, sehr oft. Bis Sonntagabend (Ortszeit) waren es offiziell 250 Nachbeben, doch das Geophysische Institut Ecuador berichtet immer noch ständig von Nachbeben, die sich aber im Grossteil zwischen 3 und 4,5 Grad auf der Richterskala befinden. Allerdings wird davor gewarnt, dass die Gefahr von stärkeren Nachbeben noch einige Tage fortbesteht. Die Beben ereignen sich vor allem im Küstenbereich. Hier in Quito spürt man nur die Nachwirkungen und die stärkeren Nachbeben. Ich persönlich habe nach dem Hauptbeben nichts mehr gespürt.
Welche Auswirkungen hat das Erdbeben auf die Menschen im Land?
Bis Samstagabend, 18.58 Uhr, war das ecuadorianische Volk extrem gespalten, stritt über die politischen Entscheidungen des Präsidenten, Steuererhöhungen und die Wirtschaftskrise, die das Land derzeit durchläuft. Doch seit dem Beben steht etwas anderes im Vordergrund: die Solidarität. Überall melden sich Menschen, die helfen wollen, sei es praktisch vor Ort oder durch Lebensmittel und andere Hilfsgüter. Auch christliche Gemeinden und Organisationen mobiliseren Hilfe und Gebetsketten für die Betroffenen. Es ist bewegend zu sehen, wie so eine Tragödie das Land wieder zusammenschweisst.
Am Samstagabend (19 Uhr Ortszeit) erschütterte ein schweres Erdebeben die Nordwestküste von Ecuador in der Nähe der Stadt Pedernales, das nach offiziellen Angaben bisher 350 Personen das Leben kostete. Mehr als 2'000 Menschen wurden verletzt und tausende sind obdachlos.
Das Beben der Stärke 7,8 – das Schwerste seit 1949 – verursachte ein regelrechtes Chaos, weshalb der Präsident Rafael Correa in sechs Provinzen den Notstand ausrief. Aus einem Gefängnis brachen im Tumult 100 Häftlinge aus, von denen aber 30 sofort wieder gefasst wurden. Die Schulen bleiben in einigen Provinzen geschlossen. Auch die Küstenstädte Esmeraldas, Manta, Portviejo und Guayaquil wurden vom Beben getroffen.
Nachbeben und Erdrütsche machen es schwierig, Hilfseinsätze zu organisieren. Trotzdem haben verschiedene Hilfswerke bereits begonnen, Nothilfe zu leisten, darunter das Rote Kreuz, Unicef, World Vision, das adventistische Hilfswerk Adra und die Heilsarmee.
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Autor: Anja Janki
Quelle: Livenet