Denkzettel für Netanyahu
Israels Christen können nach der Knesset-Wahl wieder hoffen
In Israel ist der befürchtete Rechtsrutsch bei den Neuwahlen vom Dienstag ausgeblieben. Nach dem so lauten, von extremen Parolen beherrschten Wahlkampf haben die Stillen und Vernünftigen gepunktet.
Netanyahu und die mit ihm verbündete Partei Beitenu sind die klaren Verlierer: Sie haben ein Viertel ihrer bisherigen Sitze eingebüsst. Nach wie vor bleiben sie aber mit 31 der 120 Knesset-Abgeordneten die stärkste Fraktion. Es könnte also doch eine dritte Regierung Netanyahu geben, da das rechte Lager insgesamt auf 61 Sitze kommt.
Neuer Politstern
Klarer Gewinner ist die frisch aus dem Boden gestampfte Zukunftspartei Yesh Atid unter dem prominenten Journalisten Yair Lapid. Ihre Botschaft konstruktiven Zusammenlebens mit Palästinensern und Israels anderen arabischen Nachbarn war bis zum Wahltag vom militanten Trommelrasseln der Rechten übertönt worden. Sie hat aber sichtlich in der Wählerschaft Wurzeln geschlagen.
Mitgewinner von Lapid sind die Arbeitspartei, die «Bewegung» von Ex-Aussenministerin Livni und kleinere linke Gruppierungen. Zusammen blieben sie jedoch um die Nasenlänge von zwei Sitzen hinter dem rechten Lager. Ein Patt zeichnet sich ab.
Langfristig gibt die israelische Trendwende zugunsten der liberal- und sozialdemokratischen Kräfte Grund zur Hoffnung. Netanyahu kann sich, sollte er die knappe Mehrheit für eine von ihm geführte Regierungskoalition zustande bringen, keine abenteuerlichen Alleingänge leisten. Das gilt zunächst für einen Militärschlag gegen Iran ohne internationale oder zumindest US-Unterstützung. Auch hat er jetzt zuwenig Rückhalt für seinen bisherigen Konfrontationskurs gegen die Palästinenser.
Die Folgen für die Christen in Israel
Am meisten freuen sich über diesen Wahlausgang die Heilig-Land-Christen. Auch sie haben darunter gelitten, dass radikale israelische Politiker die mosaische Religion für ihre Ziele missbrauchten. In Israel mehrten sich Angriffe, Beleidigungen und Drohungen gegen Kirchen, christliche Schulen, Spitäler und andere Einrichtungen. Sie zielten nicht etwa nur auf arabische Christen aller Konfessionen. Auch levantinische Katholiken, Griechisch-Orthodoxe und Armenier kamen ins Visier jüdischer Fanatiker.
Viele Christen glaubten schon, dass in Israel kein Platz mehr für sie bleiben wird. Ein Wahlsieg von Likud und den «nationalreligiösen» Rechten hätte diese Tendenz verstärkt. Nach Israels endlich doch erfolgter Wende zu Toleranz und Mässigung dürfen die Heilig-Land-Christen hoffen. Und die christliche Welt kann sich wieder – wie einst – über Israel freuen und es voll unterstützen!
Zum Thema:
Kirchen rufen zu einem Ende der Gewalt auf
Zwischen Misstrauen und Hoffnung
«Wir befinden uns in einem Krieg der Informationen»
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet