Israels neuer Botschafter

«Wir befinden uns in einem Krieg der Informationen»

Der neue Botschafter Israels in der Schweiz, Yigal Caspi, will das Image seines Staates verbessern, weitere Facetten vermitteln und gemeinsame Interessen aufnehmen. Er weicht den heissen Themen nicht aus. Die israelische Diplomatie sei harte Fragen gewohnt.

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Medien sind «das beste Werkzeug, Demokratie zu bewahren»: Israels neuer Botschafter in der Schweiz Yigal Caspi.
«Die beiden Länder müssen nicht in allen Punkten einer Meinung sein, aber wir reden», sagt Caspi im Interview mit der jüdischen Zeitschrift Tachles. Laut Caspi hat sich der Dialog zwischen der Schweiz und Israel in jüngster Zeit intensiviert. Der Botschafter, seit Mitte Juli in Bern, will mit Israelkritikern reden – solange sie das Recht der Juden akzeptieren, in ihrem Staat zu leben. Pro-israelische, christliche Gruppen seien ebenso Gesprächspartner. «Finden wir uns, werden wir zusammenarbeiten. Ich möchte keine Gruppen oder Personen vorab vom Dialog ausschliessen.»

«Krieg der Informationen»

Ihm sei bekannt, sagt Caspi im Interview, dass Schweizer Medien die Politik Israels manchmal kritisch kommentierten. Doch israelische Medien seien mindestens so kritisch. «Das gehört sich für eine Demokratie. Wir erleben Kritik aus vielen Ländern. Wir haben einen anderen Blick auf den Nahen Osten als Länder, die weit weg davon sind.» In Israel seien rund 800 ausländische Journalisten akkreditiert: «Wir befinden uns in einem Krieg der Informationen ... Wir müssen also schnell sein. Und akkurat. Und dabei dennoch die Fakten ehrlich übermitteln.» Medien seien «das beste Werkzeug, Demokratie zu bewahren.»

Als israelischer Botschafter müsse er den Standpunkt seiner Regierung glaubwürdig vertreten, erläutert Caspi: «Ein Diplomat kann es sich nicht leisten zu lügen, sonst ist seine Glaubwürdigkeit am Ende.»

Image um weitere Facetten erweitern

Yigal Caspi zitiert eine Studie, die das israelische Aussenministerium vor sieben Jahre durchführte: «Wir fanden heraus, dass die meisten Menschen Israel mit Militärbunkern, mit der Mauer, mit Stacheldrahtzäunen, Soldaten und Gewehren assoziieren.» Der Grund dafür sei, dass sich der Judenstaat seit den siebziger Jahren über seine Nahostpolitik definierte und diese rechtfertigte. Der Botschafter verdeutlicht dies an einem Israeli, der im Ausland eine Bar betritt, mit jemandem ins Gespräch kommt und ihn gleich fragt: «Sag, bist du auf der Seite der Israeli oder der Palästinenser?» Diese Fixierung sei kontraproduktiv. Israel habe mehr Facetten, die zu vermitteln seien. Vielleicht sei das Gegenüber an der Bar gar nicht am Nahen Osten interessiert, sondern mehr an Bier und Fussball… Dabei will Caspi die Politik nicht ausblenden. «Aber im Dialog reden wir nun zuerst über Dinge, die für beide Seiten relevant sind.»

Umstrittene Produkte aus der Westbank

Caspi sieht sich als Matchmaker, der die richtigen Leute zusammenbringt, etwa um den Export israelischer Güter in die Schweiz zu fördern. Um die Herkunftsdeklaration von Produkten aus Siedlungen in der Westbank wird hier heftiger gestritten, seitdem das HEKS der Migros, die diese Produkte gesondert deklarieren will, gedankt hat. Dazu sagt Caspi, Israel sei «nicht das einzige Land mit diesem Problem, und Israel sollte nicht hinnehmen, anders als andere Länder behandelt zu werden.»

Der zukünftige Status der Siedlungen gehöre in die Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern, sagte der Botschafter. «Wer Produkte neu deklariert, nimmt in Kauf, dass sie nicht mehr gekauft werden und Arbeitsplätze verloren gehen. Jede externe Bestimmung, ob von Staaten, Bürgern oder Firmen, ist eine Intervention in eine palästinensisch-israelische Angelegenheit.» Sie würde Israel schaden und hätte vor allem Konsequenzen für palästinensische Arbeitnehmer.

Vertrauen am Nullpunkt

Der neue israelische Botschafter in Bern wendet sich gegen die Ansicht, die israelischen Siedlungen seien der Grund für die Spannungen in Nahost. «Aus unserer Sicht sollte der Fokus auf die mangelnde Bereitschaft der Palästinenser gerückt werden, Verhandlungen ohne Vorbedingungen zu führen.» Premier Netanjahu habe 2010 ohne Erfolg einen zehnmonatigen Baustopp erlassen. «Wenn man Juden grundsätzlich verbietet, in Orten wie Hebron zu wohnen, möchte man diese Orte ‚judenfrei‘ halten.» Die Existenz eines palästinensischen Staates entscheide sich nicht an der Siedlungsfrage. «Am Ende ist es eine Vertrauensfrage. Momentan stehen wir an einem Nullpunkt.»

«Nichts geht ohne direkte Verhandlungen»

Die Versuche der Palästinensischen Autonomiebehörde, für einen Staat internationale Anerkennung zu erlangen, hätten den Friedensprozess keinen Schritt weitergebracht. «Seit 1967, sogar seit dem Unabhängigkeitskrieg ist es unsere Maxime, keine Friedenslösung zu akzeptieren, die uns eine auswärtige Macht aufzwingt. Nichts geht ohne direkte Verhandlungen. Das war mit Ägypten so, mit Jordanien, und es wird auch mit den Palästinensern so sein. Wir und sie setzen uns hin, schauen uns in die Augen und reden.»

Dass Israel – anders als die Schweiz – mit der Hamas keine Gespräche führt, begründet Yigal Caspi mit deren Charakter als Terrororganisation. «Man kann nicht einen Dialog führen und gleichzeitig Raketen werfen..» Der Diplomat verweist auf die drei Prinzipien des Nahost-Quartetts: Der Staat Israel muss anerkannt werden. Alle bisherigen Vereinbarungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde sind zu akzeptieren. Und der Gewalt als Werkzeug zum Erreichen von Zielen muss abgeschworen werden. «Das sind sehr fundamentale Bedingungen, die jedes Land, auch die Schweiz, von der Hamas verlangen sollte.»

Yigal B. Caspi, 1950 in Haifa geboren, studierte internationale Beziehungen, arbeitete in Paris, San Francisco, Stockholm und Tokyo und vertrat Israel 2005-2009 als Botschafter in Südkorea. Seither war er stellvertretender Generaldirektor für Medien und öffentliche Angelegenheiten im israelischen Aussenministerium. Seit dem 16. Juli ist Caspi Botschafter in der Schweiz.

Datum: 13.08.2012
Quelle: Livenet.ch / Tachles

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