Anbu Rajamani
Als Dalitjunge galt er als wertlos
Anbu Rajamani hatte es nicht einfach. Ohne Würde war er gefangen in der indischen Götterverehrung. Heute leitet er ein Kinderheim, mehrere Kirchen und eine Schule.
«Wir beteten Steine, Schlangen und Bäume an», erzählt Anbu Rajamani (*1975) von seiner Kindheit. Als Sohn eines Hindupriesters wurde er im indischen Bundesstaat Tamil Nadu in die unterste Gesellschaftsschicht der Dalits geboren, welche auch als Kastenlose oder Unberührbare bezeichnet werden. «In Indien gelten wir als wertlos.»
Im Kinderheim
«Als mein Vater krank wurde, konnte keiner der drei Millionen Hindugötter ihn heilen.» Anbu war enttäuscht. «Gab es denn wirklich keinen Gott, der sich um einen Priester kümmerte?», fragte er sich. «Meine Mutter tat alles, um Geld für die nötige medizinischer Versorgung zu beschaffen. Letztlich blieb nichts übrig.» Als er sechs Jahre alt war, gaben seine Eltern seinen Bruder und ihn in ein christliches Kinderheim. So sollten die Jungen zumindest überleben können.
«Im Kinderheim erlebte ich Frieden. Ich hatte alles, was ich zum Leben brauchte und ich erfuhr Wertschätzung.» Als Dalitjunge war Anbu dies nicht gewohnt. Christen waren anders als alle Menschen, die er bis dahin kennengelernt hatte.
Neues Leben
«Auch im Kinderheim betete ich noch, wie gewohnt, Schlangen und Steine an. Dort hörte ich aber auch von einem Schöpfergott.» Einmal im Jahr erfuhren die Kinder in einem dreitägigen Camp viel über den christlichen Glauben. Im Alter von 18 Jahren sollte sich dieser Anlass für Anbu als lebensverändernd erweisen. «Eine Botschaft über Jesaja, Kapitel 49, Verse 9-10 berührte mich sehr.» Die Worte «Ich erwähle dich und verwerfe dich nicht» vernahm Anbu genauso als direktes Reden Gottes an ihn wie der Zuspruch «Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.» Auf einmal wusste Anbu: «Gott hat mich auserwählt! Ich gehöre zu jemandem, der mich beschützt.» Eine unbekannte Freude erfüllte ihn und von diesem Tag an sollte sein Leben nie mehr dasselbe sein.
Ein Dalit wird international
«Ich will ganz für Jesus leben», entschied Anbu und liess sich taufen. Um als Missionar dienen zu können, lernte er verschiedene Sprachen, reiste in den Neunzigerjahren in Indien herum, wo er seinen gefundenen Glauben mit vielen Menschen teilte. 1997 bis 2001 absolvierte er ein Theologiestudium und reiste anschliessend während zwei Jahren mit einem OM-Schiff herum, wo er in verschiedenen Ländern evangelisierte. In diesen Jahren gewann er auch viele internationale Freunde – darunter die Schweizerin Barbara, welche er 2012 heiratete.
Zurück zu den Dalits
Nach seiner Zeit bei OM arbeitete Anbu in der IT-Branche. Doch dann rief Gott ihn aus der Komfortzone heraus und zum Dienst unter Dalits. So gab Anbu seinen für einen Dalit ungewöhnlich guten Job auf. «Ich verliess meine privilegierte Situation, um den Ärmsten das Evangelium zu bringen.» Von da an war er auf Gottes tägliche Versorgung angewiesen. «Oft schlief ich in den Strassen, denn mein kleiner, gemieteter Raum war ständig mit obdachlosen Kindern überfüllt.» Anbu hatte also plötzlich so etwas wie ein Kinderheim.
«Nachdem mich Freunde aus Europa besucht und dabei gesehen hatten, was ich tat, unterstützen sie mich und meine Arbeit finanziell.» Von da an wurde alles einfacher. Anbu war in der Lage, die Kinder zu versorgen und erhielt später sogar die Möglichkeit, ein grosses Grundstück zu erwerben. Hier baute er ein Kinderheim, das Grace Home, auf. Inzwischen war er mit Barbara verheiratet, die ihn tatkräftig unterstützte.
Heute kann Anbu anderen geben, was er selbst als Kind empfangen hat. Er gibt Dalits ein Zuhause, Zugang zu guter Bildung und teilt seinen Glauben mit ihnen. Im Laufe der letzten Jahre hat Anbu mehrere Kirchen gegründet.
Widerstand und Durchbrüche
Viele Hindus erkennen das Grace Home als Ort des Friedens an. Inzwischen gibt es eine Warteliste von Familien, die ihre Kinder in ihre Schule schicken möchten. «Auch Familien aus niederen Kasten schicken ihre Kinder zu uns und Angehörige höherer Kasten entwickeln Interesse an unserer Arbeit. Wir hoffen, dass sie bald den Schritt zu uns machen.» Anbu freut sich, wenn Menschen zum Glauben an Jesus finden. Auch seine Eltern wandten sich dem Christentum zu, nachdem Anbu 32 Jahre für sie gebetet hatte.
In den vergangenen Jahren wuchs aber auch Widerstand. «Die Regierung setzt uns unter Druck. Es war ein Wunder, dass wir ein Gebäude bauen konnten.» Jedes Jahr musste Anbu die Zulassungen erneuern und unnötig oft irgendwelche Büros aufsuchen. Indien will ein Hindustaat werden und Christen erfahren zunehmend Widerstand. «Auch Geld aus dem Ausland zu empfangen, ist eine grosse Herausforderung.» Internationale Organisationen wurden des Landes verwiesen. Es braucht Weisheit und zunehmend auch Wunder, um überhaupt etwas zu bewirken. «In meiner Region wurden Pastoren getötet und Kirchengebäude abgebrannt. Der Druck nimmt ständig zu.»
Blick in die Zukunft
«Erlösung wurde uns von Gott frei angeboten. Deshalb teilen auch wir mit Menschen, die keine Gegenleistung bringen können.» Dalits ist es nicht erlaubt, Wasser aus dem öffentlichen Brunnen zu schöpfen. «Auf unserem Grundstück haben wir ein Wasserquelle und bieten allen Menschen Wasser gratis an. Auch Menschen aus hohen Kasten holen hier Wasser.» Als Junge musste Anbu in der Schule hinten am Boden sitzen, heute kann er mit allen Menschen teilen. «Ich will sehen, dass wir alle gleich sind.» Das ist Anbus Fokus.
Im Juni 2022 wurde die Schule der Grace Home Ministry mit fünf Klassen eröffnet und soll in den nächsten Jahren beständig wachsen. Die Nachfrage ist enorm. Für nächstes Jahr plant Anbu, eine Ausbildung für Krankenschwestern zu starten, um damit einen Beitrag gegen Kinderheiraten zu leisten. «Mit einer guten Ausbildung können wir jungen Mädchen zu Unabhängigkeit verhelfen.»
Zur Website:
Grace Home Ministry
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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Jesus.ch