Charlie Hebdo

Was die Bluttat von Paris bewirken könnte

Europa ist entsetzt über das Massaker in der Redaktion von Charlie Hebdo. Was hat sie für Europa zu bedeuten? Für die Meinungsfreiheit? Für die Religionsfreiheit? Ein Kommentar von Fritz Imhof.

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Bluttat in Paris löste weltweites Schrecken aus.
Eigentlich ist es nach dem Massenmord in Paris aus Pietät zu früh, schon Schlussfolgerungen daraus zu ziehen oder gar Kritik an der Arbeit der Satiriker zu äussern. Doch die sozialen Netzwerke und Medien kennen weder Bedenkzeit noch Rücksicht auf Angehörige der Toten. Daher wagen auch wir einige Überlegungen am Tag danach.

Verständliche Reaktionen...

Der Tenor in den Medien ist sehr klar: Wir lassen uns die Meinungsfreiheit nicht nehmen. Auch Politiker – von Hollande bis Obama – stossen in dieses Horn. Das ist verständlich und auch berechtigt, sofern Meinungsfreiheit sich mit Respekt und Verantwortung paart. Das Verbrechen in Paris darf aber keinen Freipass bedeuten, jetzt erst recht auch bestehende Tabus der Satire zu brechen. Gerade Frankreich ist hier in einer speziellen Situation: Religionskritik ist verbreitet – aber auch der hohe Anteil an nicht integrierten Muslimen.

Der 7. Januar, der in die Geschichte eingehen wird, könnte aber auch Redaktionen verleiten, vorsichtiger zu werden, wenn Religionen wie der Islam politisch und ideologisch missbraucht werden. Und er könnte die kritische Reflexion über die Auswüchse behindern – weil damit die islamkritische Haltung in der Öffentlichkeit verstärkt werden dürfte. In den sozialen Netzwerken toben sich zurzeit die Islamhasser wieder aus. Dennoch: Wer Religion zu Macht, Hetze und Hassverbreitung missbraucht, muss sich Kritik gefallen lassen, auch wenn das Image der Religion darunter leiden mag. Aber solche Kritik darf nicht die Religionsgründer der Verachtung preisgeben.

... mit einem Aber

Satire muss ihre Grenzen beachten. Darauf hat Bundesrätin und Medienministerin Doris Leuthard gleich nach der Untat von Paris in einem Tweet hingewiesen und sich damit in die Nesseln gesetzt. Auch wenn sie gleich darauf betont hat, dass solche Satire keinen Mord rechtfertigt. Karikaturen und Cartoons reden oft noch lauter als Schlagzeilen. Und immer lauter als Texte. Auch Karikaturisten haben kein Recht, Religion, Glaube und Symbole des Glaubens verächtlich zu machen oder Glaubende wegen ihres Glaubens zu verletzen. Übrigens auch Journalisten nicht. Die Seitenhiebe gegen «Evangelikale» lassen grüssen.

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Redaktor Fritz Imhof (Bild: zVg)
Dass sich muslimische Exponenten so klar wie selten vom Massenmord in Paris distanziert haben, der im Namen ihrer Religion erfolgte, war wichtig und richtig. Dennoch beklagen einzelne wie die Muslimin und Islamexpertin Rifa'at Lenzin nicht nur die Tat, sondern auch den Anti-Islam-Ton in der Satire: «Satire soll in Grenzbereiche vorstossen. Ich habe aber Mühe mit Mohammed-Karikaturen. Denn Satire darf nicht Menschen und ihren Glauben herabsetzen und lächerlich machen», sagt sie in einem Video-Interview mit kath.ch.

Braucht man alles, was man drucken darf?

Religiöse Themen als Cartoon oder Karikatur zu kommentieren, ohne unnötig glaubende Menschen zu verletzen ist eine hohe Kunst. Es gibt dazu auch positive Beispiele, die diese Kunst beherrschen. Der Berner Cartoonist Max Spring ist eines davon. Positiv auch das Beispiel des «Nebenspalter»-Chefredaktor Marco Ratschiller. Gerade Mohammed-Karikaturen seien für das Publikum irrelevant, sagte er gegenüber der «Nordwestschweiz». Dass man sie abdrucken darf, bejaht er zwar. «Doch soll und muss man das? Im Namen der Pressefreiheit? Klar nein.» Er würde wohl auch nicht die Karikatur abdrucken, die Charlie Hebdo zu Weihnachten brachte: eine Maria in Gynäkologenstellung, die den kleinen Jesus in die Welt hinaus katapultiert.

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Datum: 08.01.2015
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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