«Management by Heaven»

Dorf schliesst Apotheke und Tankstelle wegen Sonder-Gerichtsfall

In Sibirien erfolgt ein Sonder-Gerichtsfall: Ein christliches Team steht wegen eines Behördenfehlers vor Gericht. Im Dorf werden Läden geschlossen, weil das Interesse an der Verhandlung derart riesig ist. Was genau geschah, erzählt Sacha Ernst, der bei «AVC» als Projektleiter für Flüchtlingshilfe tätig ist.

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Sacha Ernst
Livenet: Sacha Ernst, ein Team von Ihnen stand kürzlich im fernsten Sibirien vor Gericht … was war geschehen?
Sacha Ernst:
Ich bezeichne solche Begebenheiten schlicht und einfach als «Management by Heaven» – «vom Himmel perfekt organisiert und orchestriert»: Unser Team ist mit Spezialfahrzeugen bis in die hintersten Winkel Sibiriens unterwegs, stösst zu Völkern vor, die als unerreicht gelten. Diesmal geht es 12'000 Kilometer weit durch Eis und Schnee, wochenlang und oft im Schritttempo. Unsere Leute erreichen Belaja Gora und wollen weiter nach Chokurdakh. Das ist nur mittels Sondererlaubnis möglich, weil die Route im Grenzgebiet zum Polarkreis, nahe bei Alaska, durch militärisches Sperrgebiet führt. Die Einreiseerlaubnis, Wochen zuvor beantragt, ist jedoch noch nicht eingetroffen. Doch der Chef des FSB, vormals KGB, meint per Telefon, die elektronische Bewilligung werde schon noch eintreffen, sie sollen doch einfach losfahren.

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Das Team unterwegs in Sibirien
Gegen zwei Uhr nachts erreicht unser Team Chokurdakh, ein 2'500-Seelen-Dorf. Im Umkreis von 500 Kilometern gibt's nichts als Schnee, was nahelegt, dass unsere monströsen Gefährte auffallen müssen.

Unser Teamleiter berichtet: «Prompt stehen schon um neun Uhr morgens Polizeibeamte auf unserer Türschwelle zwecks Begutachtung der Einreiseerlaubnis. Schliesslich landen wir in der örtlichen Polizeistube. Der Fall wird dem Gericht übergeben, wo unsere Truppe um 16 Uhr zu erscheinen hat. Der Gerichtssaal ist gerammelt voll von Schaulustigen. Denn in dieser Einöde ist eine Verhandlung gegen Ausländer eine Attraktion, die es rechtfertigt, selbst die Tankstelle, die Apotheke und Dorfläden dichtzumachen, um dem Schauspiel beiwohnen zu können. Das Gericht fordert uns auf, zu erklären, woher wir kommen und warum wir hier sind – ohne zu ahnen, dass es damit eine zweistündige Evangelisationsveranstaltung einleiten würde. Wir erklären, «dass wir die Nachricht von Jesus Christus zu den aussterbenden Völkern Sibiriens bringen». Andrei Berglesow schildert darauf seine persönliche Geschichte, dass er nach einem Unfall fünf Stunden tot war und wieder zurück ins Leben kam. Und die Mitangeklagten aus Weissrussland singen Lieder. Trotz Verständnis und Sympathie für die Eindringlinge bekommen sie schlussendlich eine Busse von 2'000 Rubel, das sind ungefähr 40 Euro – etwa so viel wie die Saalmiete für eine Evangelisation gekostet hätte.

Sie stehen verfolgten Christen bei, welche Aufbrüche erleben Sie in verschlossenen Ländern?
Während Jahrhunderten galten muslimische Länder für das Evangelium als unerreichbar. Durch den arabischen Frühling von 2011 und die daraus folgenden Kriege wie in Syrien haben wir nun eine völlig neue Ausgangslage. Man stelle sich vor: Im Namen der Religion töten sich Glaubensgeschwister – Schiiten und Sunniten – gegenseitig. Bevor sich der IS daranmachte, auch Christen zu verfolgen und zu vertreiben, hatte er sich zum Ziel gesetzt, moderate Muslime zu wortgetreuen Islamisten zu bekehren.

Hunderttausende von Menschen sind heute traumatisiert, in Bezug auf Religion ernüchtert und enttäuscht. Sie wollen keine widersprüchliche Religion, sie wollen die Wahrheit. In ihrer Verzweiflung und Perspektivenlosigkeit suchen sie Schutz, Hoffnung – und einen Gott, der ihnen Geborgenheit gibt. Deshalb sind sie offen für die biblische Botschaft von Gott, dem Vater, der Jesus in die Welt gesandt hat, um uns in eine familiäre Beziehung mit ihm hineinzurufen. In keinem Flüchtlingscamp, wo wir die Menschen in ihren Zelten besuchen, mit ihnen reden und für sie beten, haben wir bisher negative oder ablehnende Reaktionen erlebt. Im Gegenteil: Viele haben Jesus Christus ihr Leben übergeben.

Welche Erlebnisse berühren Sie besonders?
Was mich besonders berührt, sind Situationen, in denen wir auf menschlicher Ebene nicht mehr weiterwissen und wo Gott das Zepter in die Hände nimmt. Da bleibt nur noch das Staunen übrig. Da ist zum Beispiel ein AVC-Hilfskonvoi aus dem Nordirak durch Syrien nach Kobane unterwegs und wird von IS-Terroristen angegriffen. Mich erreicht eine WhatsApp-Nachricht: «Bitte bete, wir werden vom IS angegriffen...» Was bleibt anderes, als zu beten: «Jesus, hilf rasch!»

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Unterwegs im «ewigen Eis»
Nur zehn Minuten später folgt die Nachricht: «Aus dem Nichts sind Peschmerga, also kurdische Soldaten, aufgetaucht und haben den IS neutralisiert. Unsere Fahrzeuge haben Einschusslöcher aber niemand ist verletzt worden!»

Mich berührt es besonders stark, wenn Kinder inmitten von Not, Krieg, Hunger, Verfolgung und Einsamkeit geholfen wird. Wir holen sie aus der Gosse heraus und treffen die ehemals Weggeworfenen Jahre später wieder: im Studium, mit gesunden Familien, als Evangelisten, als Gemeindegründer, als leitende Persönlichkeiten im Business und so weiter.

Was sind die nächsten AVC-Projekte?
Wir haben diverse permanente Projekte, um die wir uns kümmern. Es ist nicht unser Stil, nur Soforthilfe zu leisten, wo gerade der Fokus der Medien liegt, sondern nachhaltig zu arbeiten. Neue Möglichkeiten ergeben sich zurzeit in unserer Flüchtlingsarbeit in Serbien, wo Tausende Iraner gestrandet sind. Wir bringen sie mit Bussen in lokale Gemeinden, geben Nahrungsmittel und Kleider aus – und bringen ihnen das Evangelium nahe. Jede Woche finden so Menschen eine persönliche Beziehung zu Gott.

Ein Highlight für junge Christen wird «Move19» am Samstag, 14. Dezember 2019. Dort werden wir zusammen mit Partnern jungen Leuten im Alter von 16 bis 25 oder älter durch verschiedene Referenten Einblick in die moderne Missionsarbeit geben. Das Missionserbe der Schweiz ist dermassen kostbar und reich an Geschichten und Segen, dass wir jungen Volunteers die Möglichkeit bieten, Missionsluft in verschiedenen Ländern zu schnuppern und so Gott am Werk zu sehen und zu erleben. Auf unserer Website sind Infos und Kontaktdaten für Interessierte abrufbar. 

Zur Webseite:
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Datum: 02.07.2019
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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