Tendenzen der Öffnung
US-Kommissar: «Religionsfreiheit kann Wirklichkeit werden»
Nach Jahren des Stillstands kommt in Saudi-Arabien einiges in Bewegung. Das muslimische Königreich zeigt leichte Tendenzen der Öffnung. Allerdings ist im Land immer noch jede Anbetungsstätte verboten, die einer anderen Religion als dem Islam gilt. Es gibt zwar Christen, doch sie haben keine Kirchen.
«Ich bin überrascht von der Geschwindigkeit, mit der sich das Land wandelt», hielt Johnnie Moore nach seinem Besuch in Saudi-Arabien fest. Der Kommissar der US-Kommission für Religionsfreiheit ergänzte laut «Christianity Today»: «Es war das erste Mal, dass ich mir dachte: Wow, wir können wirklich religiöse Freiheit bei den Saudis sehen. Es ist möglich.»Moderate Veränderungen
Medien berichten, dass die Religionspolizei in der saudischen Hauptstadt Riad reformiert werden soll. Bis jetzt wurde sie dazu eingesetzt, die Scharia (das islamische Recht) durchzusetzen. In Zukunft soll ein neues Regierungsprogramm Extremismus verhindern. In diese Situation hinein passt auch das, was viele Nachrichten im Juni des Jahres bereits als Gleichberechtigung bezeichneten: Frauen dürfen in Saudi-Arabien jetzt den Führerschein machen und ein Auto fahren. Allerdings sind sie nach wie vor nicht geschäftsfähig und können ohne männlichen Vormund zum Beispiel keine Geschäfte abschliessen.
Diese kleinen Erleichterungen gehen auf das Bestreben Mohammed bin Salmans zurück. Der Kronprinz und faktische Regent des Landes ist dabei, Saudi-Arabien vorsichtig zu modernisieren.
Annäherung mit Christen
Von den 33 Millionen Einwohnern Saudi-Arabiens sind ungefähr 1,4 Millionen Christen. Die meisten sind Ausländer. Momentan erlaubt die Regierung es noch nicht, dass sich Christen in Kirchen versammeln oder in irgendeiner Form ihren Glauben öffentlich bezeugen. «Aber», berichtete Moore, «wir sollten festhalten, dass der Kronprinz sich allein in den letzten sechs Monaten mit dem Erzbischof von Canterbury, dem maronitischen Patriarchen und in Kairo mit dem koptischen Papst getroffen hat.» Scheinbar gab es dabei echte Verständigung, denn die Religionspolizei darf laut Moore nicht mehr in Privathäuser eindringen und Menschen verhaften.
Die Christen in Saudi-Arabien würden den Unterschied zu früher bereits spüren. «Nun stellt sich die Frage, ob diese Öffnung auch in anderen Teilen des Landes geschieht und inwieweit diese Reformen die Religions- oder Glaubensfreiheit beeinflussen.»
Ein Land auf dem Index
Im aktuellen Weltverfolgungsindex von Open Doors befindet sich Saudi-Arabien auf dem 12. Rang, direkt hinter Indien und dem Iran. Christen sind so etwas wie Bürger zweiter Klasse. Sie sind regelmässig verbaler und körperlicher Gewalt ausgesetzt. Konvertiten werden oft von der eigenen Familie mit dem Tod bedroht. Trotzdem wächst die Zahl an Christen im Land – unter anderem durch christliche Fernsehprogramme oder Internetangebote.
Es bleibt abzuwarten, in wieweit die absoluten Monarchen in dem islamischen Land mit den heiligsten Stätten des Islam (der Kaaba in Mekka und der Prophetenmoschee in Medina) auch in Zukunft auf Christen zugehen werden und ihnen den Raum dazu geben, ihren Glauben auszuleben. Viele bezweifeln, dass dies im besonders konservativen wahhabitischen Islam möglich ist. Doch Johnnie Moore ist optimistisch: «Ich bin zuversichtlich, dass es ein Saudi-Arabien geben wird, wo Muslime, Christen und andere frei und offen ihren Glauben praktizieren und als Nachbarn zusammenleben können. Wo ihre Kinder sich als Freunde ohne Angst voreinander daran freuen, einander zu kennen. Ich bete für den Tag, an dem ich nach Saudi-Arabien reisen kann, um stolz und öffentlich Weihnachten oder Ostern auf der Halbinsel zu feiern, deren islamischer Glaube nach eigenen Aussagen den 'Menschen des Buches' (Juden und Christen) etwas schuldet. Zum ersten Mal in meinem Leben und meinem Eintreten für Religionsfreiheit denke ich, dass dies Wirklichkeit werden könnte und vielleicht sogar früher als erwartet…»
Zum Thema:
Lebendige Gemeinden: Die Kirche auf der arabischen Halbinsel wächst
Nahost-Durchbruch: Künftiger Saudi-König anerkennt Israel
Jugend dem Islam zuspielen: Was Saudis unter Dialog verstehen
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Christianity Today