Modis BJP-Saat geht auf
Indien: Gewalt nimmt zu – immer mehr Angriffe auf Kirchen
Die «Hindutva»-Politik sorgt für wachsenden Druck auf Christen und andere religiöse Minderheiten. Die Anzahl an religiös motivierten Gewalttaten und niedergebrannten Kirchen ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. In der zweiten Januarhälfte ist erneut ein Pastor ermordet worden.
Untersuchungen der Forschungsgruppe «World Watch Research» von Open Doors haben ergeben, dass sich die Lage der Christen in Indien im vergangenen Jahr stärker verschlechtert hat als in allen anderen Ländern auf dem Weltverfolgungsindex; ausgenommen Libyen und Nepal.
Auf dem Index belegt Indien aktuell Rang 11 unter den Ländern, in denen Christen am stärksten verfolgt werden. Auch die Menschenrechtsorganisation «Human Rights Watch» weist in ihrem jüngsten Jahresbericht auf zahlreiche Übergriffe gegen religiöse Minderheiten hin. In dem Bericht wird beklagt, dass die Täter sich oft als Unterstützer der hindu-nationalistischen Regierungspartei BJP bezeichnen und die Angriffe in der Regel nicht ernsthaft untersucht werden.
Die Rolle der BJP
Vor zehn Jahren, auf dem Index 2008, belegte Indien «nur» den 30. Rang. Die Zahl der Übergriffe hängt eng mit dem zunehmenden Einfluss der BJP zusammen. Seit dem Wahlsieg von Modi nimmt ihr Einfluss auch in den verschiedenen indischen Bundesstaaten stetig zu.Beispielsweise stieg die Zahl der angegriffenen, verwüsteten und zerstörten Kirchen von 23 im Jahr 2015 auf 34 im vergangenen Jahr.
«Offiziell ist Indien eine säkulare Nation, nun soll aus ihr durch die 'Hindutva'-Politik eine Hindu-Nation werden», sagte der indische Pastor Sanjay (Name geändert) bei seinem Besuch bei Open Doors in der Schweiz. Einst war Indien den Christen und anderen Minderheiten gegenüber tolerant eingestellt. Vor rund 20 Jahren war kaum Verfolgung zu verzeichnen und von 1964 bis 1996 waren nur 38 Vorfälle bekannt geworden. In den frühen 1990er-Jahren verfügte die BJP nur über zwei Sitze im Parlament.
Wachsende Anzahl Angriffe
Pastor Sanjay berichtete bei seinem Besuch in der Schweiz von 154 Gewalttaten im Jahr 2014, gefolgt von 172 im Jahr 2015 und einem Hochschnellen auf 519 Fälle im Jahr 2016. 2017 ist nun die Menge an Angriffe auf über 600 angestiegen. Pastor Sanjay spricht von der Spitze des Eisberges. «Es sind noch deutlich mehr Übergriffe verübt worden, aber viele sind entweder nicht gemeldet oder von den oftmals BJP-freundlichen Behörden nicht registriert worden. Die Unterdrückung wächst täglich. Die Hindu-Fundamentalisten der RSS und die mit ihr verbundenen Gruppen nehmen das Gesetz in ihre Hände, verprügeln Pastoren und zerstören Kirchen.»
Erneuter Mord
Am 20. Januar wurde in Südindien der 43-jährige Pastor Gideon Periyaswamy erhängt aufgefunden. Er leitete die Maknayeem-Gemeinde in Adayachery, im Bundesstaat Tamil Nadu. Am Halsansatz wies er eine Schnittwunde und ein Hämatom auf. Nur eine Woche vor seinem tragischen Tod hatte der Geistliche der Polizei Drohungen von hinduistischen Extremisten gegen ihn gemeldet und sie als «einige Dorfbewohner, die mir Schwierigkeiten bereiten» beschrieben. Kirchenmitglieder berichteten, er sei in den vergangenen Monaten von ortsansässigen Hindus bedrängt und verbal gedemütigt worden. Gideon Periyaswamy wechselte vor 25 Jahren vom Hinduismus zum Christentum. Seit zwölf Jahren amtete er als Pastor. Den Gemeindemitgliedern riet er, mit ihren Nachbarn in Frieden zu leben und ihnen keinen Anlass zum Streit zu geben.
Die Zahl der religiös motivierten Morde an Christen ist in Indien auf mittlerweile acht bis neun pro Jahr gestiegen.
Zum Thema:
Dossier: Verfolgung.jetzt
Zehn Gemeinden betroffen: Indischer Bundesstaat verbietet Gottesdienste
Neuer Nationalismus in Indien: «Christen und Muslime sind Aussenseiter»
Autor: Reinhold Scharnowski / Daniel Gerber
Quelle: Livenet / Open Doors