Heimkehr in die Zukunft

Vertriebene türkische Christen beginnen zurückzuwandern

Die türkische Regierung hat Christen und Juden zur Rückkehr in ihr Land eingeladen. Nun treffen immer mehr von ihnen in der alten Heimat ein, sogar aus Griechenland. 

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Auch ins Dorf Agridia auf der Insel Imbros sind die von dort vertriebenen Christen eingeladen zurückzukehren.
Die Ost- und Orientchristen feiern Ostern erst am kommenden Wochenende. Dazu ist der Istanbuler Oberhirte, Patriarch Bartholomaios I., schon jetzt auf seiner Heimatinsel Imbros vor den Dardanellen eingetroffen. Sie war nur von Christen bewohnt, die aber zwischen 1964 und 1971von den türkischen Behörden fast alle hinausgeekelt wurden. Diese Ostern hofft Bartholomaios jedoch auch auf eine Auferstehung der Christenheit von Imbros. Er hat die verfallenen Kirchen renoviert, die geschlossene Schule wird ab Herbst wieder in Betrieb genommen.

Der Patriarch hat guten Grund zur Hoffnung. Nicht nur, dass die heutige «islam-demokratische» Führung der Türkei die emigrierten Christen und Juden offiziell zur Heimkehr einlädt. Die finanzielle Misere in Griechenland zwingt immer mehr Türkeigriechen dazu, in ihre alte, wirtschaftlich boomende Heimat zurückzukehren. Ähnlich ist die Situation bei den armenischen Christen. Schon über 100’000 von ihnen sind aus dem Armenhaus Armenien wieder in die Türkei gezogen. 

Integrationsprogramm in Vorbereitung

Zurzeit verhandelt eine Delegation griechisch-orthodoxer Christen aus Athen in Ankara über die Gestaltung eines eigenen Re-Integrationsprogramms für die erwarteten Spätheimkehrer. Ihre Vorfahren hatten schon vor 90 Jahren oder dann im späten 20. Jahrhundert die Türkei verlassen müssen. Diese war zuvor zu über einem Drittel ein christliches Land. In Istanbul gab es sogar eine christlich-jüdische Mehrheit. Ihre Nachkommen in Griechenland und einer weltweiten Diaspora – so auch in der Schweiz – dürften heute mindestens zwei Millionen Menschen ausmachen. Wenn jetzt auch nur ein Teil von ihnen heimkehrt, könnte es das Gesicht einer noch fast christenlosen Türkei spürbar verändern.

Bereits vor 1890 kam es schon einmal zu einer Einwanderungswelle von Christen. Unter reformfreudigen Sultanen nahm die alte osmanische Türkei reformierte Ungarn und katholische Polen nach ihren Aufständen von 1830, 1848 und 1860 auf. Dazu kamen Handwerker aus Mitteleuropa, die mit der Industrialisierung brotlos wurden. Bei den Türken waren sie hingegen gefragt, so auch Schweizer Konditoren und Gärtner. 

Ein christlicher Verlag in Istanbul

Als erfreuliches Anzeichen, dass es wieder so werden könnte, bildet in Istanbul die Gründung des christlichen Verlages Istos (Gewebe). Als erstes Buch präsentiert er den Rückkehrer-Roman «Aufschub und Niedergang» des Türkeigriechen Christos Anagnostopoulos. Er ist nach 35 Jahren als Chemiker im Ausland heimgekehrt und betreut als Pfarrer eine aufblühende Gemeinde von «Bleibern», Rückwanderern und Geheimchristen aus dem Untergrund. Ein Zukunftsmodell für die ganze Türkei?

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Datum: 29.04.2013
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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