Vom Präsidenten durchgedrückt?
Argentinien legalisiert Abtreibung
Mit 38 pro- und 29 contra-Stimmen hat der argentinische Senat am 30. Dezember die Abtreibung im Land legalisiert. Das Parlament hatte bereits am 12. Dezember zugestimmt.
Das Gesetz war dem Parlament im November durch Präsident Alberto Fernández vorgelegt worden – knapp zwei Jahre nachdem der letzte Versuch der Legalisierung gescheitert war. Ende November 2020 hatten Hunderttausende von Argentiniern in 500 Städten des Landes gegen den Gesetzesentwurf demonstriert.
Nach dem neuen Gesetz ist die Abtreibung bis zur 14. Schwangerschaftswoche legal. Danach ist sie eine Option nur für bestimmte Fälle – wie es bis jetzt schon galt –, zum Beispiel bei Vergewaltigung oder Gesundheitsrisiko für Mutter oder Fötus. Mädchen unter 16 Jahren müssen beim Antrag auf Abtreibung begleitet sein.
Zusammen mit dem Gesetz bewilligte der Senat auch den «Tausend-Tage-Plan», ein Kindergeld für alle bis zum Alter von drei Jahren. «Sichere, legale und Gratis-Abtreibung ist jetzt das Gesetz. Heute sind wir eine bessere Gesellschaft, die mehr Rechte für Frauen und die öffentliche Gesundheit garantiert. Ich bin katholisch, aber ich muss für alle Bürger regieren», erklärte Präsident Fernández in seinen sozialen Medien.
Im Schatten von Corona durchgepeitscht?
Der «Iberoamerikanische Kongress für Leben und Familie» bedauert die Annahme des Gesetzes in einer Stellungnahme und beschuldigt den Präsidenten, es mitten in der Pandemie durchgedrückt zu haben. «Er hat eine angemessene soziale und politische Debatte verhindert und hat eine kontroverse und schwierige Entscheidung durch die Hintertür aufgezwungen.» Die Organisation, die einen grossen Teil der evangelischen Leiter des Kontinents vertritt, klagt an: «Mit dieser Entscheidung bricht Argentinien das Gewohnheitsrecht (principle of conventionality) und stellt Gesetze gegen internationale Verträge auf. (…) Es sollte geprüft werden, ob die Regierung wegen dieser Entscheidung vor die internationalen Gerichtshöfe gezogen werden sollte.»
Bürger, die sich gegen dieses Gesetz gewehrt haben, sollten nicht entmutigt werden und nicht aufhören, zu kämpfen. «Dieser Kampf wurde verzerrt durch die Macht des Präsidenten, der die Legislative mit Drohungen, politischem Druck und sogar Erpressung infiltriert hat. Jetzt müssen wir kämpfen, um die Würde des Kongresses wiederherzustellen», erklärte die Organisation.
«Um Jahrhunderte im Lebensschutz zurückgeworfen»
Der Präsident des Bundes der Baptisten, Hugo Márquez, erklärte: «Mit dem Gesetz zur legalen Beendigung der Schwangerschaft laden wir dem Jahr 2020 noch mehr Schmerzen auf.» Die Christliche Allianz der evangelischen Kirchen von Argentinien (ACIERA) erklärte: «Argentinien ist zivilisatorisch in Bezug auf den obersten Respekt vor dem Recht auf Leben um Jahrhunderte zurückgeworfen worden.»
Nach Angaben von ACIERA sind die «Pro-Life-Befürworter nicht gehört, geschweige denn berücksichtigt worden. Aber diese immense Masse von Menschen, die das Recht auf Leben vertreten, gibt nicht auf; wir stehen weiter dafür ein, denn unsere Überzeugungen ändern sich nicht.» Und die Erklärung schliesst: «Diese Diskussion über die Macht, weniger über das Leben von anderen, zeigt wieder einmal die enorme Selbstsucht von Menschen gegenüber anderen hilflosen, unschuldigen und verletzlichen menschlichen Wesen.»
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Autor: Evangelical Focus / bearb. Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Evangelical Focus