Ruanda
Vom Genozid zur Jagd auf Evangelische
Gerade die evangelischen Christen haben beim Genozid an den Tutsi eine positive Rolle gespielt. Doch nun sind sie Freiwild des Präsidenten geworden. Ebenso der Held von «Hotel Ruanda».
Die Mai-Reise des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach Ruanda hat die Welt an den dortigen Völkermord im Jahr 1994 erinnert. Es war längst überfällig, dass sich Paris für die Rolle Frankreichs als Hauptverbündeter des damaligen Regimes in Kigali vor und während des Genozids entschuldigte. Auch Angehörige der katholischen Kirche, der in Ruanda damals zwei Drittel der Bevölkerung angehörten, haben 1994 schwere Schuld auf sich geladen. Nicht so die evangelischen Christen und gerade die Freikirchen. Doch sind gerade sie es, die in Ruanda heute verfolgt werden.
Evangelische Mission
Die evangelische Mission hatte begonnen, als Ruanda noch zu Deutsch-Ostafrika gehörte. Der Schleswiger Missionar E. Johannsen berichtete 1912 von «kleinen Anfängen, aber grossen Aufgaben der Evangelischen Mission im Zwischenseengebiet» (dem heutigen Ruanda und Burundi). Von katholischer Seite waren schon damals die Afrikamissionare «Weisse Väter» am Werk. Sie erlangten fast ein Verkündigungsmonopol, als das Gebiet 1916 von den Belgiern besetzt wurde. Bis 1962 erhielt Belgien ein «Mandat» des Genfer Völkerbundes bzw. später von der UNO.
Von Belgien wurde nach dem kolonialistischen Prinzip des «Teilens und Herrschens» die Trennung und gegensätzlich Auspolung zwischen der Tutsi-Oberschicht und ihrem Untertanenvolk der Hutu begünstigt. Als Ruanda unabhängig wurde, verstanden sich beide sozialen Gruppen als unterschiedliche, feindliche Völkerschaften. Dem Massaker von 1994 ging eine lange Entwicklung voraus. Immer mehr Tutsi emigrierten, überliessen das Regieren in Kigali den Hutus und bildeten im Kongo eine Exilarmee. Sie marschierte dann in Ruanda ein, um das Hutu-Regime zu stürzen.
Der Bürgerkrieg
Daraus entwickelte sich ein Bürgerkrieg, in dem die besser bewaffneten Hutu ihre Tutsi-Gegner abschlachteten. Die Hutus wurden dabei von Frankreich unterstützt, während die katholische Kirche ihren Gläubigen in der Regel keinerlei Schutz bot. Sie wurden nach ihrer Flucht sogar in Kirchen abgeschlachtet, zum Teil unter Beteiligung von Priestern und Nonnen.
Als Folge des Blutjahres 1994 sank der Anteil der Katholiken in Ruanda von fast 70 auf 45 Prozent! Presbyterianer, Baptisten, Methodisten und Pfingstchristen haben sich hingegen als Retter vieler Menschenleben hervorgetan.
«Hotel Ruanda»
Geradezu berühmt wurde Hoteldirektor Paul Rusesabagina. Der evangelische Hutu gewährte in seinem «Hotel Ruanda» Hunderten Tutsi Unterschlupf, als Mörderbanden durch die Strassen streunten. Ihr Wüten fand erst ein Ende, als Tutsi-Kommandant Paul Kagame siegreich in Kigali einzog. Dann machte er sich jahrelang um die Wiederherstellung geordneter Verhältnisse und wirtschaftlich-sozialen Aufstieg Ruandas verdient. Seit 2018 hat er aber begonnen, die etwa 35 Prozent evangelischen Christen des Landes als Staatsfeinde aufs Korn zu nehmen.
Den Höhepunkt erreichte das ausgerechnet mit Verhaftung von Rusesabagina im August 2020. Ihm wurde im Regierungsblatt «New Times» vorgeworfen, Anführer einer terroristischen Organisation zu sein. Seitdem ist er in einem Militärgefängnis verschwunden. Schon vorher hatte das Regime Kagame im ganzen Land 6000 Versammlungsorte von «wiedergeborenen Christen und Erweckungskirchen» geschlossen, davon allein 700 in der Hauptstadt Kigali. Die «Restoration Church» und der «Zion Temple» sind besonders betroffen.
Wasserlöcher statt Kirchen
Während Pfingstchristen und charismatische Freikirchen als «öffentliche Störenfriede» angeprangert und diskriminiert werden, ist die Presbyterianergemeinde Gisenyi am Kivu-See bisher unbehelligt geblieben. Doch bereitet sie sich mit Versöhnungsgottesdiensten, Haus- und Bibelkreisen, die das Vertrauen in Jesu wachsen lassen, auf drohendes Ungemach vor. Schon hat Machthaber Paul Kagame die Existenz alles Christlichen infrage gestellt: «Wozu brauchen wir überhaupt Kirchen? – Wasserlöcher, um unsere Herden zu tränken, sind viel nötiger!»
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet