Lehrplan 21

Gescheitertes Reformwerk oder Basis einer globalisierten Schule?

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Wird aus dem Lehrplan 21 ein Lehrplan 5? Werden ihn schliesslich nur fünf Kantone einführen, wie es die Basler Ständerätin Anita Fetz befürchtet?

Die Macher des Lehrplans haben mittlerweile nicht nur Eltern und Kirchenvertreter gegen sich aufgebracht, sondern auch Politiker, Bildungsexperten und viele Lehrkräfte. Allzu blauäugig integrierten sie trendige ideologische und bildungswissenschaftliche Trends in das Reformwerk. Beispiele sind progressive Ideen zur Sexualerziehung, verbunden mit Genderismus sowie die völlige Gleichsetzung von Religionen ohne Berücksichtigung der kulturellen und gesellschaftlichen Werte, die unsere Gesellschaft bis heute prägen und stützen.

«Bürokratisches Monster»

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Hanspeter Amstutz, engagierter Lehrer und Bildungspolitiker
200 Bildungsfachleute haben es in acht Jahren geschafft, ein Werk zu kreieren, das jetzt als bürokratisches Monster beschimpft wird und dem die Alltagstauglichkeit im Schulzimmer abgesprochen wird. Hinter dem Lehrplan stecke ein technokratisches Menschenbild, kritisiert zum Beispiel der Sekundarlehrer und Bildungsfachmann Hanspeter Amstutz in einem Beitrag der Zeitschrift «Beobachter» vom 20. Februar. Und Ralph Fehlmann, Fachdidaktiker an der Universität Zürich, bekennt darin, nach der Lektüre des Lehrplans 21 eine schlaflose Nacht verbracht zu haben. Er kritisiert insbesondere die Zerlegung des Stoffs in die 363 Einzelkompetenzen. So zerfalle «die Gestalt des Unterrichts irgendwann zu Staub». Fehlmann kritisiert insbesondere die Absicht, Kompetenzen von Wissen zu trennen. Das sei eine entschieden falsche Stossrichtung und diene dem Ziel, den Lernerfolg objektiv vermessen, statt die Schüler fördern zu wollen. Ganz im Sinne der Pisa-Ratings.

Laut den Ideen der Lehrplan 21-Macher sollen Schüler sich das Wissen weitgehend selbst aneignen und dabei vom Lehrer und der Lehrerin lediglich gecoacht werden. Dies führt aber, so die Befürchtung der Praktiker, zu einer Isolierung der Schüler und macht es unmöglich, dass schwächere auch mal von stärkeren Schülern lernen. Zu befürchten ist somit, dass gerade schwächere Schüler auf der Strecke bleiben.

Vom «Schreibtisch der Pädagogik-Industrie»

Ist der Lehrplan 21 ein Werk von weltfremden Theoretikern im Elfenbeinturm? Hanspeter Amstutz spricht von einer neuen «Schreibtisch-Erfindung der Pädagogikindustrie», die wie schon frühere von der Realität korrigiert werden muss. Wie weltfremd hier operiert wurde, illustriert ein Beispiel aus der Religionskunde. Im ersten Entwurf hätten Schüler nach dem zweiten (!) Schuljahr in der Lage sein sollen, «Feste verschiedener Religionen anhand der Bräuche und Erzählungen zu erläutern sowie kulturelle Unterschiede zu analysieren». In der zweiten Fassung wird eine ähnliche Zielformulierung auf das sechste Schuljahr angelegt: «Schüler können Hauptfeste verschiedener Religionen anhand ihrer Bräuche und Erzählungen erläutern und miteinander vergleichen (Weihnachten, Ostern, Fasnacht, Pessach, Ramadan, Holi, Divali)». Immer noch ein ganz schön anspruchsvolles Ziel!

Leidenschaftliche Lehrer ...

In seiner Analyse weist der Beobachter auch auf die Rolle des Lehrers hin, ein Kernanliegen auch von Hanspeter Amstutz. 2008 hat der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie anhand von zahllosen Studien und Analysen ein Buch mit dem Titel «Visible Learning» veröffentlicht. Es wurde zu einem pädagogischen Standardwerk moderner Pädagogik und beschreibt, wie es zum Lernerfolg kommt. Das Resultat wirkt so trivial wie einleuchtend: Es kommt auf den Lehrer und die Lehrerin an, der «mit Leidenschaft bei der Sache ist», so Hattie. Der auf Messbarkeit von Kompetenzen angelegte und abgehoben wirkende Lehrplan scheint gerade diesen Lehrpersonen die Arbeit nicht einfacher zu machen. 

... oder Coaches aus Hamburg?

Die Stellungnahme des Dachverbandes der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) lässt tief blicken. Offiziell unterstützt der Verband das Regelwerk und bezeichnet es als «nützlich» für alle, die mit Schule zu tun haben. Gleichzeitig gibt das Statement von Jörg Brühlmann, Leiter der Pädagogischen Arbeitsstelle LCH, zu denken, der anfügt, die «Globalisierung» von Kompetenzen durch ihre Loslösung aus dem kulturellen und gesellschaftlichen Kontext könne die Privatisierung der Schulen fördern. So sei in Zukunft denkbar, dass ein Lehrer aus Hamburg, angestellt von einer internationalen Firma, in Zukunft problemlos Schweizer Schulkinder via Skype coachen kann, jedes gemäss seinem individuellen Tempo. So gesehen könnten nach dem Urteil der Basler Ständerätin Anita Fetz wohl bald öffentliche Schulzimmer abgeschafft, Schweizer Lehrpersonen durch billigere ausländische ersetzt und damit viel Geld gespart werden.

Momentan formiert sich in den Kantonen eine Allianz gegen den Lehrplan 21 als «bürokratisches Monster». In einigen Kantonen sind Volksinitiativen bereits zustande gekommen, in anderen werden Unterschriften gesammelt oder Volksinitiativen vorbereitet. Das Reformwerk dürfte damit das Ziel einer inhaltlichen Harmonisierung der Schweizer Schulen verfehlen.

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Datum: 09.03.2015
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet / SSF

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