Kirchen nach Lockdown
Schlagerpfarrer Stefan Moll: «Es ist gut, über Angst nachzudenken»
Für einige
Kirchen war der Lockdown wegen Corona schockierend und lähmend, und das gesamte
Kirchenleben lag brach, andere nahmen die Herausforderung als Chance für Neues
wie etwa Livestream-Gottesdienste. Stefan Moll von der EMK Baden erzählt von der Gemeindearbeit mit
Asylsuchenden und Schlager-Gottesdiensten.Wie
haben Sie die Corona-Zeit als Pastor und Gemeinde erlebt?
Stefan Moll: Die Verunsicherung war am Anfang gross. Die
Angst war überall greifbar. Ich habe sie auch bei mir wahrgenommen. Es ist gut,
über die Angst nachzudenken. Was bedeutet sie für mich als Christ? Wie hat die
Angst Entscheidungen und den Glauben an Jesus Christus geprägt? Im Nachhinein
bin ich überrascht, wie stark sie in den ersten Tagen wurde. Sie liess sich
nicht besänftigen durch Bibeltexte, die Geborgenheit versichern. Das ist für
mich eine wichtige Erfahrung.
Wo gab es Lichtblicke?
Zur
Methodistischen Kirche in Baden gehören viele Asylsuchende und Migranten. Mir
ist aufgefallen, dass sie gelassener blieben, obwohl wichtige Hilfsangebote
nicht mehr erreichbar waren und die Lebensmittelhilfe erst nach Wochen wieder
zugänglich war. Das hat sie sehr getroffen. Trotzdem haben sie die Vorschriften
minutiös umgesetzt. Die Coronazeit hat
uns genötigt, neue Zugänge zum Glauben an Jesus Christus auszuprobieren. Das
hat Lust auf mehr gemacht. An vielen Orten hat sich eine Kreativität entfalten
können, die sonst von der Normalität erstickt worden wäre. Neben der Gemeindearbeit
in Baden bin ich auch noch Schlagerpfarrer. Wir haben die Gottesdienste auf dem
Schlagersender Musig24 feiern können. Das ist so gut angekommen, dass viele Leute
diese weiterführen möchten.
Gab es einen
bestimmten Bibelvers oder einen Song, der Sie durch die Corona-Zeit begleitet
hat?
Ich hatte
grundsätzlich mehr Raum für das Bibelstudium. Zudem konnte ich mich intensiv
mit dem Psalm 91 auseinandersetzen. Ich habe ihn übersetzt und gründlich
ausgelegt.
Wie erleben Sie
jetzt nach drei Monaten Lockdown die Kirchen-Lockup-Phase?
Wir lassen uns
Zeit. Im Moment sind die Einschränkungen noch zu hoch, um im gewohnten Rahmen
zu feiern. Aber das kann getrost noch etwas warten. Dafür haben wir an
Pfingsten im Freien in Gruppen gefeiert. Da konnten wir die Hygienemassnahmen
perfekt umsetzen – aber sie haben nicht gestört. Nun werden wir uns vorerst in
kleineren Gruppen treffen. Wir achten darauf, dass diese möglichst heterogen
und inkludierend bleiben.
Geht es nach
Corona zurück zum Business as usual oder haben Sie neue Ideen und
Konzepte für die Zeit danach?
Das Busines as
usual ist, Jesus Christus zu vertrauen und in der Liebe zu Gott und den
Menschen zu wachsen. Daran wird sich hoffentlich nichts ändern – ausser dass es
vielleicht noch konkreter, noch tiefer gelebt werden kann. Ob Sitzung,
Gottesdienst-Organisation, Gruppenarbeit etc. wie bisher weitergehen, weiss ich
noch nicht.
Welche
konkreten Schritte und Veränderungen planen Sie oder haben Sie schon
vorgenommen?
Ein neues Angebot
wird ab September möglich: Wir bieten Reisen in Länder wie Syrien, Eritrea,
Pakistan oder Sri Lanka an – (fast) CO2-neutral. Man kann Land und Leute bei
einem Essen bei uns in Baden kennenlernen. In der EMK Baden
geht es vor allem darum, dass sich ganz verschiedene Menschen in ein grösseres
Ganzes integrieren. Viele, die zu unserer Gemeinde gehören, haben keinen
geregelten Aufenthaltsstatus oder sie leiden unter der Härte des
schweizerischen Asylgesetzes. Sie finden keine Arbeit – und werden es wegen der
Krise noch schwerer haben.
In der Schlagerfamilie wird zur Zeit abgeklärt, ob die TV-Gottesdienste weitergeführt werden und wie die Beziehungen gestärkt werden können.
Zur Webseite:
EMK Baden
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Autor: Meike Ditthardt
Quelle: Livenet