Livenet-Talk zu Menschenhandel

«Es braucht ein Aufstehen der Zivilgesellschaft»

«Menschenhandel – Schluss mit Schweigen!» lautete das Thema des Livenet-Talks vom 19. Mai 2020. Eine Politikerin, ein Kampagnenleiter und ein Streetworker, der im Rotlichtmilieu an der Zürcher Langstrasse arbeitet, waren zu Gast. Ihre Berichte rüttelten auf und machten klar: Wir alle sind mitverantwortlich und können etwas zur Bekämpfung der modernen Sklaverei beitragen!

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Livenet-Talk mit Peter Widmer, Sarah-Maria Graber, Ueli Haldemann und Marianne Streiff (Bild: Livenet)
Nach offiziellen Schätzungen sind weltweit über 40 Millionen Menschen versklavt. Sie werden ausgebeutet und gequält (Livenet berichtete). Gemäss einem Bericht des Europarates stieg die Anzahl der Fälle in den letzten vier Jahren in Europa um 44 Prozent. Was können wir dagegen tun? Und was hat der moderne Menschenhandel überhaupt mit mir zu tun? Darüber sprach Moderatorin Sarah-Maria Graber im Livenet-Talk mit:

  • Marianne Streiff, EVP-Präsidentin und Nationalrätin. Sie kämpft auf politischer Ebene für griffigere Gesetze gegen Menschenhandel, unter anderem mit der Resolution «Menschen sind keine Ware» im Herbst 2019.
  • Ueli Haldemann, Kampagnenleiter Menschenhandel bei der christlichen Ostmission. Er ist überzeugt, dass die Zivilgesellschaft gegen diese Missstände aufstehen muss und führt dafür regelmässige Strasseneinsätze in Schweizer Städten durch.
  • Peter Widmer, Gründer und Inhaber des Vereins Heartwings. Er ist seit 12 Jahren im Zürcher Rotlichtmilieu unter Prostituierten, Freiern und Zuhältern unterwegs. Regelmässig besucht das Team über 300 Bordelle. Für ihn ist klar: Dieses grosse Unrecht muss aufhören!

«Wir sind alle mitverantwortlich!»

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Marianne Streiff (EVP)
«Vor zehn Jahren habe ich eine Tagung besucht, an der es um sexuelle Ausbeutung ging. Frauen aus armen Ländern wurden mit falschen Versprechen in die Schweiz gelockt – und dann in die Prostitution gezwungen. Diese Schicksale von Frauen gingen mir so unter die Haut, dass ich nicht anders kann, als hier meine Stimme zu erheben. Ich unterstütze das nordische Modell, das klar dafür steht: Den Körper einer Frau kann man nicht mieten!»

«Es ist furchtbar, dass unser Wohlstand und Konsum in gewissen Aspekten auf Ausbeutung anderer Menschen basiert. Das widerspricht meinem Gerechtigkeitsempfinden!»

«Wir sind alle mitverantwortlich! Wenn wir uns um unsere Mitmenschen kümmern wollen, müssen wir hinschauen, und das Thema immer wieder ansprechen.»

«Es braucht ein Aufstehen der Zivilgesellschaft»

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Ueli Haldemann
«Als ich das weltweite Ausmass und die Brutalität sah, war für mich klar: Ich will etwas dagegen tun. So habe ich meinem Leben kurz vor der Pensionierung einen neuen Kick gegeben und setze mich jetzt als Kampagnenleiter gegen Menschenhandel ein.»

«Wir haben ja bei Greta gesehen, was der Druck der Zivilgesellschaft verändern kann. So etwas wünsche ich mir beim Thema Menschenhandel. Dazu braucht es regelmässige Mahnwachen, um auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Aktuell führen wir als christliche Ostmission regelmässig Strasseneinsätze in Bern, Basel, Zürich und Olten durch.»

«Sehr viele Frauen engagieren sich stark beim Thema Menschenhandel – gerade wenn es um Prostitution geht. Die ganze Porno- und Sexindustrie ist ein Riesenmarkt – dafür sind zu einem grossen Teil wir Männer verantwortlich. Deshalb wollen wir auch die Männer mobilisieren, dass sie sich stärker engagieren! Sie sollen dem Menschenhandel auch entgegentreten.»

«Das schwedische Modell wäre ein guter Weg»

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Peter Widmer
«Das Wichtigste ist, dass wir bei den Menschen vor Ort sind! Deshalb braucht es Streetworkers, die in Kontakt mit den Prostituierten und Bordellbesitzern stehen. Nur so können wir helfen, Betroffene aus der Illegalität, in die sie oft verstrickt sind, in die Legalität zu begleiten.»

«Das schwedische Modell, das Freier bestraft, wäre ein guter Weg. Die Nachfrage würde zusammenbrechen, weil nicht mehr die Prostituierte bestraft würde, sondern derjenige, der die Sexdienstleistung kauft. So verändern sich auch die Denkmuster in der Gesellschaft. Jedes Kind sollte lernen: Es ist nicht ok, eine Frau zu missbrauchen!»

«Diese Coronazeit bringt die dunklen Sachen ans Licht. Eine Frau wollte zurück nach Hause in ihr Ostblockland, um ihrer Familie zu helfen. Doch der Zuhälter gab ihr den Pass nicht. Viele Prostituierte sind jetzt betroffen von purer Armut. Corona ist also auch ein Augenöffner und zeigt die Probleme ganz deutlich. Es muss gesetzliche Vorstösse geben.»

Hier sehen Sie den ganzen Talk:


Zum Thema:
Christliche Ostmission: Menschenhandel – auch in der Schweiz
Kampf dem Menschenhandel: «Wir ziehen sie als Sieger auf, nicht als Opfer»
Menschenhandel: Sie wollte nicht länger zusehen

Datum: 20.05.2020
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet

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