«Selber schuld»?

Unfairer und gefährlicher Angriff auf die Sozialfirmen

Nach der Invalidenversicherung (IV) und der Sozialhilfe geraten jetzt auch die Sozialfirmen unter Beschuss. So zum Beispiel in der Ausgabe der «Schweiz am Sonntag» vom 21. September. Ist die Kritik berechtigt? Ein Kommentar von Fritz Imhof.

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Zeitung «Schweiz am Sonntag»
«Das Geschäft mit den Sozialfirmen boomt wie nie.» Mit diesem polemischen Satz beginnt ein angriffiger Text in der «Schweiz am Sonntag», der den Umsatz der Firmen von 630 Millionen betont, den die Steuerzahler zu berappen hätten. Die Zeitung beruft sich dabei auf eine «Studie von drei Fachhochschulen».

Erinnern wir uns: Vor wenigen Jahren begann es mit dem Angriff auf die Rentenpraxis der IV. Der Ausdruck «Scheininvalide» wurde lanciert, die angeblich zu Unrecht von IV-Renten profitieren. Das Resultat: Die IV hat seither ihre Praxis deutlich verschärft und die Hürden für IV-Renten deutlich höher gesetzt. Die Folge: Mehr Leute beanspruchen Sozialhilfe. Sie ist das unterste Auffangnetz für Menschen mit körperlichen und psychischen Problemen im erwerbsfähigen Alter.

Dann kam der Angriff auf die Sozialhilfe mit eindrücklichen Einzelbeispielen aus Zürich (der Kosovare, der BMW fährt und Sozialhilfe bezieht).

Die Folge: Die Sozialhilfe wir in der heutigen Form problematisiert, insbesondere wenn sie an Flüchtlinge geht. Gemeinden stöhnen ab der Zunahme der Kosten. Erste Gemeinden treten aus der Schweizerischen Konferenz der öffentlichen Sozialhilfe (SKOS) aus und senken ihre Hilfeleistungen.

Zuerst gelobt – jetzt beneidet

Nun stehen die Sozialfirmen in der Kritik. Nicht in erster Linie, weil sie schlechte Arbeit leisten, sondern weil sie kommerziell arbeiten und daher die Gemeinden angeblich zuviel kosten. Nur nebenbei wird im Artikel in der Schweiz am Sonntag erwähnt, dass sie Tausenden eine Arbeit und eine Chance auf Wiedereinstieg ins Berufsleben bieten, die sonst ohne Hoffnung nur Geld beziehen würden. Weil diese Arbeit eine echte Innovation bedeutet und die Betroffenen neben Arbeit auch moralische Unterstützung brauchen, gibt es hier auch zahlreiche Initiativen mit christlichem Hintergrund.

Sie alle stehen nun unter Zugzwang, ihre Arbeit zu begründen. Das war längere Zeit nicht nötig, da ihre Arbeit innovativ war und damit auch gesellschaftlich anerkannt. Und von den Medien gelobt. Nun aber scheint der Wind zu drehen. Missgunst, Neid und Misstrauen sind ein starkes Gift, wenn es mal ausgestreut ist. Der Hinweis auf einzelne Missstände im System ist bald in der Lage, auch zu politischen Entscheidungen zu führen, besonders wenn es um die knappen Geldmittel geht. Im Hinterkopf vieler Bürger und Politiker, denen es gut geht, lauert der latente Vorwurf gegenüber Sozialhilfebezügern und Invaliden: «Die sind doch selber schuld.»

Und die Selbstverantwortung?

Auch Christen, die auf dem sozialen und diakonischen Feld arbeiten, wissen um charakterliche und psychische Probleme der Hilfesuchenden. Sie wissen aber auch, dass Jesus niemandem Hilfe oder Heilung verweigert hat, weil er vielleicht irgendwie Schuld an seinem Unglück trug. Christen wissen, dass sie selbst Vergebung und Heilung brauchen. Sie müssen nicht nach Schuld im Leben der Hilfesuchenden graben. Sie haben aber auch die Aufgabe, alles daran zu setzen, Hilfesuchende auch auf dem Weg zu mehr Selbstverantwortung – und Freiheit – zu stärken.

Aktuell gefragt sind jetzt Geschichten von Menschen, die in einer Sozialfirma echte Hilfe gefunden haben, die sie weitergebracht hat. Und die der Gemeinde und dem Staat sogar Geld sparen, weil sie wieder im Arbeitsprozess stehen. Denn in der Schweizer Gesellschaft und Politik ist Geld noch immer das beste Argument.

Zum Thema:
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Datum: 22.09.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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