Kircheninsel wird Islamzentrum
Die Re-Islamisierung in der Türkei kennt keine Rücksichten
Die Insel Chalki bei Istanbul soll in ein «Weltislamisches Studienzentrum» umgewandelt werden. Dies hat Anfang August der Chef der staatlichen türkischen Religionsbehörde «Diyanet», Fuat Bekiroglu, bekanntgegeben.
Chalki ist eine der letzten Inseln der Türkei, die ihren christlichen Charakter bis zuletzt bewahren konnte. Sie beherbergte eine der ältesten oströmischen Christengemeinden. In ihrer Bibliothek wurde 1875 die «Didache» entdeckt, die Zwölfapostellehre. Sie dient seitdem als Muster frühchristlichen Lebens nach dem Evangelium weltweit evangelischen Gemeinden als Vorbild. Im neunten Jahrhundert nahm von dieser Insel mit den Missionaren Kyrill und Method die christliche Slawenmission ihren Ausgang. 1844 konnte auf Chalki mit Erlaubnis des Sultans Abdülmecit I. die erste griechisch-orthodoxe Theologische Hochschule der alten Türkei gegründet werden. Sie diente 1863 dem amerikanischen Missionar Cyrus Hamlin als Vorbild für sein evangelisches Robert College am Bosporus.Beide Bildungsstätten wurden aber 1971 von der modernen säkularen, das heisst christenfeindlichen Türkei geschlossen.
Auf 40 Hektaren enteignetem Wald
Nun soll Chalki statt einigen Hundert christlichen Theologen wie bis 1971 bald tausende künftige Muslim-Imame beherbergen. Als erster Schritt für diese globale islamische Einrichtung sind 40 Hektar Pinienwald zur Rodung freigegeben worden, die ursprünglich im Besitz christlicher Pfarrgemeinden waren. Schon in den 1920er Jahren wurden sie zugunsten des türkischen Gesundheitsministeriums enteignet. Dieses musste sie jetzt an die Diyanet abtreten.
Chalki wird islamisiert
Das neue Islam-Zentrum wird sich unmittelbar gegenüber der ehemaligen griechisch-orthodoxen Theologischen Fakultät von Chalki erheben. Alle ökumenischen und internationalen Vorstösse zu ihrer Wiedereröffnung waren in Ankara auf taube Ohren gestossen. Die jetzige Errichtung des panislamischen Zentrums vor der Tür der geschlossenen Theologischen Hochschule bedeutet das endgültige Todesurteil für den christlichen Charakter von Chalki.
Erdogan bricht Versprechen
Erst am 25. April hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan den Ökumenischen Patriarchen der Orthodoxie, Bartholomaios I., nach Ankara zitiert und ihm eine Wiedereröffnung von Chalki in Aussicht gestellt, voraussichtlich noch in diesem Herbst. Nun hat sich das als die letzte der seit 2004 schon zahlreichen unwahren Zusagen des türkischen Staatschefs herausgestellt.
Chancenlose politische Intervention
Wie die Zeitung «Adalar» (Die Inseln) in ihrer letzten Ausgabe berichtet, hat die drohende Überflutung von Chalki und der benachbarten Prinzeninseln mit tausenden Muslim-Studenten aus aller Welt sofort den Umut der Bevölkerung, aber auch der Lokalorganisation von Erdogans Regierungspartei AKP erregt. Es sei schon genug, dass dieses traditionelle Ferienparadies der Istanbuler Bevölkerung in den letzten Jahren von Saudi-Touristen überschwemmt wurde, die aus jedem Fenster ihre Tonkonserven mit Gebetsrufen des Muezzins und Hasspredigten gegen alles Christliche und Jüdische erdröhnen lassen. Die Partei der türkischen Minderheiten (HDP), die neben den Kurden auch die letzten armenischen, griechischen und syrischen Christen vertritt, hat in der Nationalversammlung von Ankara bereits eine dringende Anfrage wegen der Islamisierungspläne für Chalki eingebracht. Diese soll aber erst im Oktober nach der parlamentarischen Sommerpause zur Verhandlung kommen. Inzwischen werden auf Chalki schon die Pinien gefällt, um dem Welt-Islamzentrum Platz zu machen.
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet
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