Sudan
«Völkermord – bitte nicht stören»
Für den Einsatz der stärkeren Truppe, die schliesslich gegen 17'000 Soldaten und 3'000 Polizisten umfassen und auch über Kampfhelikopter verfügen soll, will die UNO mit den Afrikanern und dem Regime in Khartum eng zusammenarbeiten. Sudan wurde aufgefordert die Gelände für die Basen zur Verfügung zu stellen und auch Brunnenbohrungen zu erlauben.
Dies ist ein Silberstreifen am Horizont. Seit vier Jahren lässt die sudanesische Regierung kontinuierlich Teile der schwarzafrikanischen Bevölkerung Darfurs von arabischen Reitermilizen vertreiben. Das Regime setzte selbst Bomber und Truppen ein. Nach Schätzungen der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ in Göttingen sind seit Beginn des Völkermords vor vier Jahren bis zu 400‘000 Menschen in Darfur getötet worden; zwei Millionen wurden vertrieben. Drei Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe. Der Konflikt hat auf den Tschad und die Zentralafrikanische Republik übergegriffen.
Clooney und Geldof empört
Laut der Webseite «web.de» empörten sich George Clooney und Bob Geldof über die EU-Feierlichkeiten. Der Holywood-Star und der «Live-8»-Organisator putzten die Politiker herunter, weil sie den Geburtstag der EU gefeiert haben, während der Völkermord im Sudan weitergeht.
Clooney in einem Brief an EU-Ratspräsidentin Angela Merkel: «Die Zeit ist gekommen, dass etwas unternommen wird. Dieser Völkermord passiert unter unseren Augen. Was wir tun, um ihn zu stoppen, wird unser Vermächtnis werden.» Und Geldof: «Ich glaube, es gibt wenig Grund zu feiern. Hier ist mehr Polizei und Armee, um 27 Leute zu beschützen, als für Millionen, die in Darfur in Angst leben.»
Online-Petition: «Völkermord – Bitte nicht stören!»
Dieweil starteten «Fairplanet» und die «Gesellschaft für bedrohte Völker» eine gemeinsame Initiative für Frieden im Sudan durch das Portal Rettet Darfur ; dies im Vorfeld des dritten «Global Day for Darfur» am 29. April. Mit einer Kampagne wollen die beiden Werke über die Tragweite der seit vier Jahren andauernden Verbrechen im Westen des Sudan informieren.
Dazu gehört auch eine Online-Petition. Der provokante Slogan: «Völkermord – Bitte nicht stören!» Gemäss den beiden Werken ist Fakt: Bis heute konnte sich die internationale Gemeinschaft nicht dazu entschliessen, dem Genozid in Darfur wirksam entgegenzutreten. Im Sony Center am Potsdammer Platz werden Ende April 2007 Darfur-Videoclips des New Yorker Filmemachers Noaz Deshe gezeigt.
Ausgebrannte Dörfer in «Google Earth»
Neben Fotos von Palmenstränden lassen sich in «Google Earth» auch weniger erfreuliche Dinge entdecken. Der Völkermord in Darfur wird in diesem für alle zugänglichen Satellitenbilder-Programm seit kurzem genau dokumentiert. Auf Initiative des Holocaust-Museums der Vereinigten Staaten ( www.ushmm.org ) zeigt Google Earth eine Landkarte des Schreckens: Im Sudan sind zahlreiche Stellen markiert, wo Massaker stattgefunden haben.
Chinesische «Genozid-Spiele»
Die letzten Jahre schützte China, das aus Sudan Erdöl bezieht, die Regierung in Khartum vor Sanktionen, schreibt die «New York Times», aber nun sei der chinesische Aussenminister Zhai Jun in China gewesen und habe den Sudan gedrängt, die UN-Friedenstruppe zu akzeptieren. Zhai Jun besuchte auch Flüchtlingslager.
Weshalb der Druck aus Peking? Laut der „New York Times“ gehen die Schauspielerin Mia Farrow und der Regisseur Steven Spielberg ebenfalls für Darfur auf die Barrikaden. Farrow startete eine Kampagne, welche die olympischen Spiele in Peking «Genozid-Spiele» nennt. Spielberg dreht einen Film für die Spiele. Farrow warnte ihn, er könne in die Geschichte eingehen als «Leni Riefenstahl von Peking» (die mit Hitler befreundete Riefenstahl drehte ästhetisch beeindruckende Nazi-Propaganda-Filme). In der Folge forderte Spielberg die olympischen Veranstalter auf, Druck auf Sudan zu machen. Und China sandte Zhai Jun nach Darfur…
China warnt USA
Im Gespräch mit der Zeitung zeigte sich Mia Farrow erfreut, über Zhai Juns Besuch. Jun forderte, dass der Sudan flexibel reagiere und die Friedenstruppen reinlässt – darüber spricht der Sudan zwar seit zwei Jahren gern um dann doch abzublocken.
Zudem warnte die chinesische Botschaft in Washington: «Wenn jemand die olympischen Spiele und Darfur zusammenbringt, um ihren Ruhm zu steigern, ist das ein sinnloser Trick.» Die Spiele in Peking sind Chinas Nationalstolz, der Titel «One World, One Dream» freilich reicht nicht bis Afrika; dennoch wachsen in China die Bedenken, Darfur könnte das olympische Image beschädigen.
Während der antiken olympischen Spiele galt die Regel, an allen Fronten die Waffen ruhen zu lassen. 1980 boykottierten 65 Länder die Spiele in Moskau, da die Sowjets kurz vorher in Afghanistan einmarschiert waren. Die Schweizer Athleten boykottierten die 1956 die Melbourne-Olympiade – aus Protest weil der ungarische Volksaufstand niedergeschlagen worden war. In Ungarn gab es «nur» einige tausend Tote.
«Schluss mit Betroffenheitsrhetorik!»
Zwei Frauen aus dem westsudanesischen Darfur droht der Tod durch Steinigung, berichtet Radio Vatikan. Ein Gericht hat die beiden Landarbeiterinnen wegen Ehebruchs verurteilt – die angeblichen Partner wurden aufgrund mangelnder Beweise frei gesprochen. Laut einem Bericht von Amnesty International wurde der Prozess gegen die beiden Afrikanerinnen unfair geführt: Prozesssprache war arabisch – die beiden Frauen konnten sich nicht verteidigen, geschweige denn Einspruch erheben. Das wundere ihn nicht, erklärt Gerhard Baum, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte im Sudan: «Aber wie der Prozess auch gewesen sein soll – diese Form der Strafe widerspricht absolut den internationalen Standards der Menschenrechte. Der Sudan beruft sich immer darauf, dass er eine funktionierende Gerichtsbarkeit hat - und die müsste jetzt eingreifen. Das Oberste Gericht in Khartum müsste diese Urteile rückgängig machen.»
Die Weltbevölkerung dürfe nicht nur den Zeigefinger auf die Krisenregion richten, sondern müsse auf das Schicksal der beiden Frauen reagieren, sagte Baum. «Wenn jetzt nicht die Bundesregierung mit ihrer EU-Präsidentschaft eine neue Initiative einleitet, dann wird sich an dem Leiden nichts verändern. Es muss jetzt Schluss sein mit dieser Betroffenheits-Rhetorik: Europa muss handeln, der Sicherheitsrat muss handeln. Die Völkergemeinschaft muss etwas tun. Ich vermag nicht einzusehen, dass eine gewisse Einigkeit der Völkergemeinschaft hergestellt werden kann gegen atomare Aufrüstung, also Nordkorea und Iran, gegen die Klimagefahren, aber keine einmütige Position erreichbar ist bei humanitären Katastrophen wie jetzt in Darfur. So als hätten wir aus den anderen Katastrophen, ich nenne nur Ruanda, nichts gelernt. Das empört mich, und das muss sich ändern.»
Die Mär von Stammesfehden
Laut dem Nachrichtenmagazin «Facts» ist vor knapp zwei Monaten am Internationalen Strafgerichtshof Anklage gegen den früheren sudanesischen Innenminister und gegen einen Befehlshaber der Reitermilizen erhoben worden. Selbstredend wird der Sudan sie nicht überstellen. Denn, so «Facts» weiter, das käme einem Einverständnis der staatlichen Beteiligung am Massenmord gleich. Das Regime in Khartum spreche lieber von Stammesfehden – als ob im Sudan Stämme über Antonow-Flugzeuge und Kampfhelikopter verfügen würden.
Leichte Verbesserung im Südsudan
Im Süden des Landes, wo der Bürgerkrieg vor zwei Jahren formell beendet wurde, will das Welternährungsprogramm WFP die Zahl der Nothilfe-Empfänger allmählich reduzieren. Gleichzeitig soll in Schulen dreimal mehr Nahrung abgegeben werden. Damit werde die Kriegsnothilfe schrittweise in Wiederaufbauhilfe umgewandelt.
Bisher erhielten im Südsudan rund 1,6 Millionen Menschen Nahrungsmittelhilfe. Künftig soll die Hilfe 1,3 Millionen erreichen. Die Menschen müssten langfristig grössere Unabhängigkeit erhalten. Durch den Frieden gebe es in der Region mehr Ernährungssicherheit.
Unterdessen teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) in Genf mit, dass immer noch rund 300’000 Südsudanesen in Lagern in Nachbarländern wie Äthiopien lebten. In diesem Jahr will das UNHCR mit weiteren Hilfsorganisationen etwa 200’000 Flüchtlinge bei der Rückkehr in den Südsudan unterstützen. Längst nicht überall ist man auf so viele Rückkehrer vorbereitet.
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch